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Marokko im Aufbruch

Vom Platz der Kanonen im Zentrum Tangers hat man einen wunderbaren Blick auf die Meerenge von Gibraltar: Die ein- und auslaufenden Fähren im Hafen, die großen Containerschiffe, die sich wie im Zeitlupentempo auf dem dunkelblauen Meer vorwärts bewegen und natürlich auch auf die spanische Küste gegenüber, an der bei klarem Wetter die Stadt Tarifa zum Greifen nahe erscheint. „Ein Ausblick wie eine Qual“, hatte mir vor Jahren Mohammed Choukri, der 2003 verstorbene marokkanische Schriftsteller gesagt. Er meinte damit die jungen Marokkaner, die oft stundenlang sehnsüchtig auf das nur 14 Kilometer entfernte Spanien starrten, überzeugt, dass es dort für sie einen sicheren Arbeitsplatz mit gutem Einkommen, ein teueres Auto und eine geräumige Wohnung gäbe. Damals waren die Berufs- und Lebensaussichten für die meisten jungen Menschen in Marokko im wahrsten Sinne des Wortes trostlos.
Selbst für Universitätsabgänger, die nur im Ausnahmefall eine ihrer Qualifikation angemessene Anstellung bekamen. „Was sollen wir hier“, erklärten die Studenten am Goethe-Zentrum in Tanger resigniert, die 2000 oder 2001 dort Deutsch lernten. „Kein Job, keinen Zukunft, keine Familie, nichts“. Der Däfetismus und die Versuchung waren groß, es den etwa 3 Millionen Landsleuten gleich zu tun, die in Europa, in den USA oder Kanada leben. Heute, nur wenige Jahre danach, sieht alles etwas anders aus. Emigration ist für junge Marokkaner zwar noch immer eine Option, aber nicht mehr die dringendste. Mittlerweile beginnt man auch an eine Zukunft in Marokko zu glauben. „Wir warten erst einmal ab, wie sich das hier weiterentwickelt“, sagte Mounir, ein Ingenieurstudent an der Universität in Tanger. „Es hat sich ja viel zum Positiven verändert. Nach Spanien oder Frankreich kann man immer noch gehen“. Ein Sinneswandel, den früher niemand in Marokko für möglich gehalten hätte. Lieber heute als morgen weg, hieß ansonsten die Devise. Überzeugungsarbeit leisteten ausgerechnet die marokkanischen Behörden und Institutionen, die gewöhnlich einen schlechten Ruf haben: Korrupt, faul und desinteressiert an den Belangen der Buerger. Die Stadt Tanger wurde innerhalb nur eines Jahres (für marokkanische Verhältnisse eine unglaublich kurze Zeit) völlig neu renoviert und Tourismus kompatibel gemacht. Man legte neue Parks und Plätze an, Häuser wurden gestrichen, Strassen neu gepflastert und in Fußgängerzonen umgewandelt. Wer Tanger aus alten Tagen kennt, wird es heute kaum noch wieder erkennen. Die Einwohner sind sichtlich zufrieden mit den Veränderungen, selbst wenn die Neugestaltung auf die Bewerbung der Hafenstadt für die Expo 2012 zurückzuführen sein sollte. Soviel staatliche Aufmerksamkeit gab es seit Jahrzehnten nicht mehr. Stadtsanierungen finden im Übrigen auch in anderen marokkanischen Städten, wie Nador und Oujda im Nordosten oder auch in Safi, etwa 300 Kilometer südlich von Casablanca, statt. Die Entscheidung über die Vergabe der Expo fällt Anfang Dezember, wobei fraglich ist, ob sich Tanger tatsächlich gegen die Konkurrenten aus Polen (Wroclaw) und Südkorea (Yeosu) durchsetzt. „Die Expo ist nicht nur eine Chance für Tanger“, sagt Yussef, der einen Bazar in der Altstadt besitzt, „sondern für ganz Marokko. So können wir beweisen, dass wir modern sind und nicht hinterm Mond leben, wie viele in Europa glauben“. Sein Bruder Raschid nickt dazu mehrfach zustimmend. Es gäbe allerdings einen negativen Nebeneffekt. „Selbst wir Marokkaner“, beschweren sich beide, „können uns direkt in Tanger keine Wohnung, geschweige denn ein Haus noch leisten“. Die Immobilienpreise sind tatsächlich ins Unermessliche gestiegen. Vor fünf Jahren konnte man eine 150 Quadratmeter große Wohnung noch für 50.000 Euro kaufen. Heute muss man dafür das Dreifache bezahlen. Bei den Grundstückspreisen ist die Situation nicht anders. Was früher 20 bis 30 Euro kostete, kann, je nach Lage, von 400 bis 1000 Euro pro Quadratmeter kosten. Summen, die für den marokkanischen Normalverbraucher unerschwinglich sind. Dass die Preissteigerungen im Immobilienbereich auf die normalen Lebenshaltungskosten übergreifen, ist die große Sorge. „Wenn Wasser, Strom, die Mieten und die Lebensmittel teuerer werden“, sagte Abdillah, der Besitzer eines Lebensmittelladens gegenüber meinem Haus in Tanger, „das können sich die Menschen kaum leisten“. Er zeigt mir sein Buch, in dem er sorgfältig unter dem Familiennamen die Beträge aufgelistet hat, die man ihm schuldet. „Die Leute leben eh schon auf Kredit, den sie jeweils am Monatsende bezahlen, wenn das Gehalt kommt“. Was nicht immer geschehen würde, fügte er mit ernstem Gesicht hinzu. Hoffnung auf wirtschaftliche Verbesserung geben die Großprojekte in der Umgebung von Tanger. Im Gebiet der Atlantikküste und entlang des Mittelmeers entstehen neue Tourismuskomplexe für den gehobenen Standard. 600 Millionen Dollar soll alleine eine Luxuswohnanlage, mit Golfplatz, Swimmingpool, Einkaufszentrum kosten. Eines von rund 15 Großprojekten, die die Reichen und Schönen dieser Welt, an die Nordspitze Afrikas bringen sollen. Mohammed VI. hat versprochen, aus Tanger ein zweites Marbella zu machen. Investitionen kommen aus Spanien, Frankreich und vor allen Dingen den Vereinigten Arabischen Emiraten, die auch am 1,5 Milliarden teueren neuen Mittelmeerhafen, Tanger-Med, beteiligt sind. Im Juli 2007 wurde ein Teil des neuen Containerhafens bereits in Betrieb genommen. 2008 soll er ganz fertig sein, durch den dann jährlich 8,5 Millionen Container, sieben Millionen Passagiere und 700.000 Lkws geschleust werden sollen. Eingebettet ist Tanger-Med in ein 500 Quadratkilometer großes Industriegebiet, mit Freihandelszone und Duty Free Supermärkten. Der Konzern Renault-Nissan hat dort bereits mit dem Bau einer der größten Autofabriken im Mittelmeerraum begonnen. 400.000 Wagen sollen pro Jahr von 6000 Arbeitern produziert werden. Das Industriegebiet ist mit Autobahnzubringern und Bahnstrecken an Casablanca, Rabat, aber auch Marrakesch angeschlossen. Insgesamt sollen durch den Hafen und die Industriezone 140.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Wohnen sollen die neuen Arbeitskräfte im nur wenige Kilometer von Tanger-Med entfernt liegenden Ksar Shgir. Heute ein Dorf mit vielleicht 2000 Einwohnern. „Spätestens in zehn Jahren“, sagte Mohamed Hafnaoui von der Hafenverwaltung TMSA begeistert, „werden dort bis zu 800.000 Menschen leben“. Grund zur Euphorie gäbe es wirklich nicht, meinte ein Beamter der Regionsverwaltung Tanger, der seinen Namen nicht genannt haben wollte. „Natürlich gibt es mehr Arbeitsplätze, aber die Gehälter bleiben auf niedrigem Niveau. Wie üblich werden nur einige Wenige großen Profit machen und die Mehrheit bekommen letztlich nur Almosen“. Ganz ähnlich sieht es Mohammed Laroussi, ein Anwalt, der auf die Abwicklung von Immobilienverkäufen spezialisiert ist. „Was soll man dazu schon sagen, die ganze Sache ist weder besonders gut, noch besonders schlecht“. Es würde mehr Geld in Umlauf kommen, aber der Großteil bliebe bei den Unternehmern und Investoren. „Zu denjenigen, die es nötig haben, kommt nichts oder nur sehr wenig“, fügte der Mittfünfziger ernüchternd hinzu. Wirtschaftliche Prosperität ist das wichtigste für marokkanische Familien, von denen viele finanziell von Monat zu Monat, mache nur von Woche zu Woche planen können. Ziele sind eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus, ein Auto und eine gute Ausbildung der Kinder, um ihnen eine positive Zukunft zu sichern. Für Politik interessiert sich kaum jemand. Nicht umsonst lag die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im September dieses Jahres bei nur 37 Prozent. So niedrig, wie nie zuvor in der Geschichte Marokkos. Etwas, das kaum jemand erwartet hatte. Dabei waren die Parlamentswahlen die zweiten freien Wahlen unter der Regentschaft Mohammed VI., die unter seinem Vater Hassan II. stets manipuliert worden waren. Das Vertrauen in die politischen Parteien ist gering. Nicht einmal in die islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD), deren als sicher prognostizierter Wahlsieg nicht eintraf und sich mit 10.9 Prozent der Stimmen und 46 von insgesamt 325 Sitzen im Parlament zufrieden geben musste. Seit seiner Thronbesteigung 1999, nach dem Tod Hassans II., versuchte Mohammed VI. die Schatten der Diktatur seines Vaters zu vertreiben. Er entließ politische Gefangene und bat, teilweise persönlich, die politischen Exilanten nach Marokko zurückzukehren. 2004 trat ein neues Familienrecht in Kraft, das Frauen generell den Männern gleichstellte, ihnen die gleichen Rechte bei der Scheidung zusprach und ihnen Reisefreiheit gab, für die früher die Zustimmung des Ehemanns oder eines Vormunds nötig war. Außer Tunesien hat sonst kein arabischer Staat ein derartig progressives Familienrecht. Im gleichen Jahr setzte Mohammed VI. eine Versöhnungskommission ein, die im Stile von Südafrikas Wahrheitskommission die Menschenrechtsverletzungen in den „bleiernen Jahre“ unter Hassan II. untersuchen sollte. Legale Kompetenzen hatte diese Kommission nicht, ihr Zweck war Wiedergutmachungszahlungen an die Opfer zu bestimmen. Die Sitzungen dieser Kommission, die 22.000 Fälle von Mord, Folter und Vermissten untersuchte, wurden live im marokkanischen Fernsehen übertragen. Zurzeit wartet man auf eine Initiative des Königs, als erstes arabisches Land offiziell die Todesstrafe abzuschaffen. Seit 1999 gab es zum ersten Mal auch so etwas wie Meinungs- und Pressefreiheit. In Cafes und Bars wird heute jedes Thema diskutiert. Sicherheitsbeamter, die mitstenographieren gibt es nicht mehr. In Zeitungen und Magazinen kann man Geschichten über Homosexualität, Terrorismus und den König lesen, ohne dass eine Ausgabe wie früher sofort verboten und eingestampft wird. Trotzdem wurden Journalisten immer wieder verhaftet, zu Gefängnis oder Geldstrafen verurteilt. Sie hatten über ‚Staatsgeheimnisse’, die Finanzen des Königs geschrieben oder wie im Falle eines Karikaturisten, Mohammed VI als Witzfigur gezeichnet. Überreaktionen eines bürokratischen Exekutivapparats, in dem teilweise noch Anhänger Hassan II. sitzen. An einigen Verfahren gegen Journalisten kann man sehen, dass das rigide Vorgehen von ganz Oben nicht erwünscht ist. In der zweiten Instanz, die obligatorisch für ein marokkanisches Gerichtsverfahren ist, wurden die Gefängnisstrafen aus der Erstinstanz, zu Geldstrafen reduziert. Ein Ding der Unmöglichkeit unter Hassan II. Natürlich beleiben die Behinderungen der Presse inakzeptabel. „Trotz allem muss man Marokko eines der liberalsten der arabischen Länder bezeichnen“, sagte Abdelhay Moudden, ehemaliges Mitglied der Versöhnungskommission und Professor für Politikwissenschaft an der Mohammed V. Universität in Rabat. „Wenn wir uns Marokkaner gut fühlen wollen, dann denken wir an den Vergleich mit anderen Staaten“, fügte er schmunzelnd an. Die Mehrheit der marokkanischen Bevölkerung hat, wie schon gesagt, ganz andere Sorgen. Sie hoffen und warten auf die positiven Auswirkungen der neuen marokkanischen Wirtschaftspolitik, die Staatsbetriebe, wie die Wasser- und Elektrizitätswerke, privatisierte und neue Wirtschaftszweige für ausländische Investoren öffnete. Am 1. Januar 2006 trat das Freihandelsabkommen mit den USA in Kraft. 2010 soll eine Freihandelskooperation (Euro-Mediterran-Vereinigung) mit der EU starten. Bis 2010 will Marokko die Zahl von bisher jährlich sechs Millionen Touristen auf 10 Millionen steigern. Mit all diesen Maßnahmen will man neue Arbeitsplätze schaffen. Jedes Jahr drängen etwa 400.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu den Europäischen Ländern kämpft Marokko (und andere arabische Staaten) mit einer immer jünger werdenden Bevölkerung. Laut Mustapha Mansouri, dem Minister für Arbeit, schafft Marokko in diesem Jahr 300.000 neue Arbeitsplätze. Immer noch 100.000 unter dem Soll, aber Zahlen, die sich sehen lassen können. Wichtigste Handelspartner Marokkos ist an erster Stelle Frankreich, gefolgt von Spanien. Als der spanische König Juan Carlos Anfang November Ceuta und Melilla, die beiden spanischen Exklaven auf marokkanischem Territorium besuchte, zog Marokko aus Protest seinen Botschafter aus Madrid ab. Diplomatisches Geplänkel muss man sagen, denn die Beziehungen zu Spanien sind so gut wie nie zuvor. Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt 2004 war Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero nach Marokko gereist, um das unterkühlte Verhältnis, für das sein Vorgänger Jose Maria Aznar verantwortlich war, zu beenden. Die vorher arbeitslosen spanische Fischerflotten durften ab sofort wieder vor der marokkanischen Küste fischen, im Gegenzug unterstützt Spanien den Anspruch Marokkos auf die Westsahara. Knapp 200 spanische Firmen haben sich im Laufe von 2007 in Marokko niedergelassen, darunter Industrie- wie Tourismusbetriebe. Im vergangenen Oktober kam der französische Präsident Nicholas Sarkozy mit einer 70-köpfigen Delegation zum Staatsbesuch nach Marokko. Insgesamt wurden 15 Verträge im Wert von 2 Milliarden Euros abgeschlossen. Eine Milliarde davon geht alleine in den Bau einer TGV-Schnellzugverbindung von Tanger nach Marrakesch. Für 200 Millionen Euro kauft Marokko zusätzlich 20 Lokomotiven von Frankreich und baut ein konventionelles Kraftwerk in der nordöstlich gelegnen Stadt Oujda, unweit der Grenze zu Algerien. „Energiequellen der Zukunft sollten nicht alleine eine Domäne der entwickelteren Länder sein, solange internationale Konventionen respektiert werden“, sagte Sarkozy vor dem marokkanischen Parlament in der Hauptstadt Rabat. Manch einer der Abgeordneten wird wohl gedacht haben, wie einfach es doch sein kann, Nuklearenergie zu bekommen - wenn man eben nicht der Iran ist. Im Falle von Marokko, das selbst immer wieder das Ziel von Anschlägen militanter Islamisten ist, muss sich der Westen über Solidarität keine Gedanken machen. Die USA unterhalten im Maghreb-Staat Militärbasen und aufwendige Horchstationen. Angeblich wurden auch nach Marokko, wie in anderen arabischen Ländern, US-Terrorgefangene zu Verhören eingeflogen. Die Verträge über die TGV-Bahnverbindung Tanger-Casablanca- Marrakesch sind auch ein Grundstein der Infrastruktur, die zum zukünftigen Tunnel unter der Meerenge von Gibraltar gehört. Nach Jahrzehnte langen Plänen haben sich Marokko und Spanien 2006 endgültig entschlossen, den Gibraltartunnel zu bauen. 2025 soll er eröffnet werden und die beiden Mittelmeerländer in Afrika und Europa verbinden. Dann kann ein spanischer Ingenieur in seiner Heimatstadt Sevilla leben und in Tanger arbeiten. Die Fahrt zwischen beiden Städten im Schnellzug dauert voraussichtlich nur eineinhalb Stunden. 90 Minuten später soll man von Tanger aus Casablanca erreichen und wiederum eine gute Stunde danach ist man in Marrakesch. Bereits 2013 soll die erste Teilstrecke zwischen Tanger und Kenitra eröffnet werden. Diese erste Schnellzugverbindung verkürzt die fünf Stunden Fahrtdauer von Tanger nach Casablanca auf zwei Stunden. Hundertprozentig sicher ist der Bau des Tunnels noch nicht. Es kommt auf die Studie der Schweizer Ingenieurfirma Lombardi an, die den Meeresboden untersucht und 2008 fertig sein soll. Der Eisenbahntunnel mit zwei Gleisen wirft weitaus größere Probleme auf, als der Tunnel zwischen Frankreich und Großbritannien. Das Mittelmeer ist mit 900 Metern weitaus tiefer und zudem der Meeresgrund weicher. Die kürzeste Verbindung (14 Kilometer) zwischen den Kontinenten Afrika und Europa kam deshalb nicht in Frage. Nun plant man den Tunnel mit einer Länge von 28 Kilometern in 200 Metern Tiefe zwischen Kap Malabta, am Rande von Tanger, und Punta Paloma, ganz in der Nähe Gibraltars. Wie man die großen Druckverhältnisse unter Wasser meistert, weiß man noch nicht genau. Man will die Fahrröhre 90 Meter tief in den Meeresboden einlegen. „Alles eine Frage des Geldes“, meint Mohamed Hafnaoui von der Hafengesellschaft Tanger-Med. „Alles ist möglich“, fügt er optimistisch mit einem Schmunzeln an. Ein offizieller Kostenplan wurde bisher noch nicht aufgestellt, aber es werden zwischen 6,5 Milliarden und 13 Milliarden Investitionen notwendig. Mohamed Hafnaoui ist überzeugt, dass der Tunnel schwarze Zahlen schreiben und kein Pleiteunternehmen wird, wie es die unterirdische Verbindung zwischen Frankreich und Großbritannien ist. Schließlich ginge es hier um das Nadelöhr zwischen Afrika und Europa, erklärt Hafnaoui weiter. „Das hat doch ganz andere Dimensionen“. Bis zur geplanten Eröffnung 2025 ist es allerdings noch ein langer Weg. Derartige gigantische Projekte verzögern sich gewöhnlich um Jahre und die Kosten gehen in unvorstellbare Höhen. „Ach, das kennt man doch“, sagen die beiden Brüder in ihrem Bazar in der Altstadt von Tanger. „Als ich noch klein war“, meint Youssef, „wurde schon vom Tunnel nach Spanien gesprochen und heute tun sie es immer noch“. Das würde doch nie etwas werden. „Außerdem brauchen wir den Tunnel doch gar nicht“, wendet sein Bruder Raschid ein. „Wir haben den neuen Hafen, bekommen mehr Tourismus und vielleicht auch die Expo 2012, so Gott will. Es geht doch überall aufwärts“.

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