„Warum Bloggen wir?“ fragte Fouad Al-Farhan im Dezember 2007 auf seiner Webseite über Saudi-Arabien. Die Antworten des Bloggers gefielen den Behörden offensichtlich nicht. Er wurde verhaftete und sitzt seitdem im Gefängnis. Fouad Al-Farhan hatte die Korruption in seinem Land kritisiert und war für politische Reformen eingetreten.
Mit seiner Verhaftung erreichten die saudischen Autoritäten allerdings das Gegenteil von dem, was sie wollten. Statt Al-Farhan und seine Kritik mundtot zu machen, kursieren seine Thesen nun weltweit im Internet. Selbst US-Präsident George W. Bush soll sich bei seinem Besuch im Januar in Saudi-Arabien mahnend nach dem Schicksal des Bloggers erkundigt haben. „Die Zeiten der absoluten Staatskontrolle der Medien sind vorbei“, sagt Larbi El Halili, der einen der erfolgreichsten Blogs in Marokko betreibt. „Niemand kann mehr die Fülle im Netz total kontrollieren und nach unliebsamen Inhalten filtern“. Mittlerweile könnten Blogs sogar viele Menschen mobilisieren, fügte er stolz hinzu. Trotz einer positiven Entwicklung, die Kritik an Staatsoberhäupter und der Religion des Islam bleiben weiterhin jedoch sensitive Themen, die in arabischen Ländern ins Gefängnis bringen können.
In Tunesien wurde Zouhair Yahyaoui 2002 zu zwei Jahren verurteilt, weil er angeblich „falsche Informationen“ über Menschenrechtsverletzungen verbreitete. Unter dem Pseudonym Ettounsi hatte er auf seinem Blog über die Meinungsfreiheit in Tunesien geschrieben. Im Gefängnis soll Yahyaoui, nach Angaben von Reportern ohne Grenzen, gefoltert worden sein. Nach drei Hungerstreiks wurde er nach einem Jahr auf Bewährung entlassen. 2005 verstarb der erst 36-Jährige an einem Herzinfarkt.
In Ägypten musste der 22-jährige Karim Amer 2007 für vier Jahre hinter Gittern, weil er den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und den Islam kritisiert haben soll.
„In Marokko wurde bisher noch kein Blogger belangt“, erklärt Larbi El Halili. „Wir können relativ frei über alles sprechen, was im Vergleich zu anderen arabischen Ländern eine große Ausnahme ist“.
Die marokkanischen Behörden hätten einige Male „YouTube“ blockiert, aber nach kurzer Zeit wieder freigegeben. Zum größten Teil sei dies ein Verdienst der Blogger gewesen, die internationale Proteste starteten.
„Eine kleine Revolution“, meint Larbi El Halili, dessen Webseite täglich etwa 3500 Besucher aufrufen. Seit dem Beginn im Jahr 2004 bekam El Halili 18.000 Antworten auf seine mehr als 450 Einträge. Dort wird über die marokkanische Verfassung diskutiert oder ob der König zu viel oder zu wenig Macht hat. „Natürlich muss man bei diesen Diskussionen aufpassen, dass man kein falsches Wort sagt“, erläutert El Halili. „Das Damokles-Schwert einer unberechenbaren Justiz schwebt über jeden Blogger“. Das zeigte der Fall von Fouad Mourtada, einem 26-jährigen IT-Ingenieur, der vor einigen Wochen die Identität eines marokkanischen Prinzen auf Facebook.com fingierte und dafür zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. „Es began mit einem Spaß und endete in einem Drama“, sagt El Halili nachdenklich. „Das war für die Bloggergemeinschaft ein Schuss vor den Bug, obwohl es uns nicht direkt betrifft“. Aber das harte Urteil zeige, wie weit die Justiz jederzeit gehen könne.
In Marokko gibt es rund 30.000 Blogs, bei etwa vier Millionen registrierten Internetbenutzern. Relativ wenige im Vergleich zu Deutschland, wo es zwischen 600.000 und 1 Million Blogs geben soll. Im nordafrikanischen Nachbarland Algerien sind es nur knapp 6000. In Tunesien sollen es kaum einmal 1000 sein, was bei der starken staatlichen Kontrolle und mangelnder Toleranz kein Wunder ist. Zudem sind nur 1,6 Millionen Internetbenutzer registriert. Aber auch in Tunesien, wie in einigen anderen rigiden arabischen Ländern, lassen sich auf lange Sicht die Internet-Revolution und die einhergehende Demokratisierung von Information nicht aufhalten. Gerade in Ländern, wo Information vom Staat offiziell verordnet wird, haben Menschen ein Bedürfnis nach anderen Nachrichten und Meinungen. Blogs sind ein Weg, dieses Bedürfnis zu befriedigen. „Natürlich besitzen Blogs noch lange nicht die Macht, die sie haben könnten oder vielleicht auch haben sollten“, stellt El Halili fest. Für ihn sind Blogs „der Argot über öffentliche Fragen“. Blog-Diskussionen seien wichtiger als Gespräche in den Cafes von Casablanca oder Kairo und in den Foren der Tageszeitungen. „Sie sind eine Art Schule der Demokratie, die die Arbeit übernehmen, die in den arabischen Medien oder auch nationalen Parlamenten nicht geleistet wird“. Blogs seien ein kollektiver Volksgeheimdienst, Orte, wo kontroverse Diskussionen und Debatten über Politik und Religion stattfinden und zum kritischen Denken angeregten. Für den marokkanischen Blogger ist die Arbeit seines Kollegen Wael Abbas aus Ägypten nur der Anfang von dem, was einmal kommen soll. Der ägyptische Blogger veröffentlichte auf seinem Misr Digital, Bilder von Ausschreitungen der Polizei. Zuerst versuchte ihn die Behörden einzuschüchtern, denunzierten ihn als kriminell und homosexuell, später halfen seine Videodokumentationen dennoch die betreffenden Polizisten zu überführen. Zwei Beamte wurden wegen Folter angeklagt und zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der 33-jährige Wael Abbas erhielt dafür im November 2007 den „Knight International Journalism Award“ des internationalen Zentrums für Journalisten in Washington.
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