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Eine Trophäenschau, wie bei erlegten Tieren

Die Libyer stehen Schlange vor dem Kühlhaus, in dem der entstellte Körper des Ex-Diktators liegt. Im Internet behauptet ein Rebell, die entscheidenden Schüsse abgegeben zu haben. Es ist der allerletzte Schritt der Entmachtung: Der Diktator liegt tot in einer heruntergekommenen Fleischkühlanlage. Seine ehemaligen Untertanen stehen Schlange, um seine Leiche zu sehen und sich zu vergewissern, dass kein Leben mehr in ihm steckt. Noch schnell ein Foto mit der Handykamera vom verblichenen „großen Revolutionsführer“, der entstellt und reglos am Boden liegt. Das gleiche Spektakel bei Mutassim, einem seiner acht Söhne, der ihm als Sicherheitschef diente und dessen Leichnam neben dem seines Vaters liegt. Eine Trophäenschau, wie bei erlegten Tieren. Rätsel um Umstände von Gaddafis Tod Video abspielen „Gaddafi war schlimmer als Hitler“, behauptet der 23 Jahre alte Mohammed, der in Bab al-Asisa, der ehemaligen Residenz des Diktators, Revolutionsanstecker verkauft. „Er hat Söldner engagiert, um sein

In Gaddafis Kasernen wartet das Grauen

Die Aufständischen finden in den Gebäuden der legendären Chamis-Brigade viel Prunk – und Anzeichen für ein furchtbares Verbrechen. Ein mehr als 30 Meter langes und 2,50 hohes handgemaltes Gemälde ziert eine Betonwand am Exerzierplatz in Tripolis: Heroisch wehrt die libysche Armee mit Hubschraubern, Panzern, Kampfjets und Kriegsschiffen eine Invasion an der Küste ab. Die Flugzeuge der Aggressoren stürzen ins Meer, die Schiffe versinken brennend. Das ganze Kriegsgeschehen auf dem Wandgemälde ist in einem sehr pathetischen Stil des realen Sozialismus gehalten und wird von einem Porträt Muammar al-Gaddafis überwölbt, der sich noch immer versteckt hält. Mit dem Blick eines unbezwingbaren Herrschers, natürlich in einer seiner Fantasie-Uniformen, mit viel Pomp und Gloria. Als das Gemälde entstand, herrschten noch bessere Zeiten für den Diktator und seine Familie. Jetzt liegen alle Gebäude rund um den Exerzierplatz in Schutt und Asche. Die Nato hatte die Kaserne der Brigade von Chamis, dem si

"Die Kämpfer sind jung, sie nehmen Drogen"

n Tripolis ist der Krieg vorbei, doch die Gewalt geht weiter. Es häufen sich Berichte über Massenexekutionen und Folterungen mit Hunderten von Opfern. Seit drei Tagen liegt die Leiche im Wasser, die Wellen an der Corniche von Tripolis bewegen den Körper leicht hin und her. Es ist ein Mann mit Militärstiefeln und Uniform, ein Gaddafi-Soldat könnte er gewesen sein oder ein Rebell. Irgendjemand hat ein weißes Tuch über ihn geworfen. Doch an anderen Orten in der libyschen Hauptstadt wütet die Gewalt weiter, finden Massenexekutionen statt und Folterungen Hunderter Menschen, wie allmählich bekannt wird. Rebellen und Gaddafi-Loyalisten bezichtigen sich gegenseitig dieser Gräueltaten. Wer in den Tagen nach dem Einmarsch der Rebellen durch Tripolis fährt, findet nicht die Schuldigen. Er sieht nur, dass die Gewalt noch lange nicht zu Ende ist. Der letzte verzweifelte Kampf Nach Abu Salim sind es keine zehn Fahrminuten von der Strandpromenade. In dem südlichen Stadtteil haben sich Gaddafi-Anhänge

Die Rebellen beginnen ihren Marsch auf Tripolis

Al-Galaa ist die letzte Bastion der Rebellen: Mit viel Enthusiasmus und schlechter Ausrüstung bereitet die Opposition in den Nafusa-Bergen eine Offensive vor. Da ist er schon wieder: Dieser unverwechselbare Donnerhall vom Abschuss der Grad-Raketen, dem ein bedrohliches Surren folgt, mit dem die aus Leichtmetall gebauten Flugkörper durch die Luft rauschen. Adil, der gerade beim Bäcker nach Brot fragt, hebt nur kurz den Kopf, abwartend, wie nah der Einschlag erfolgt. Es trifft ein kleines Wohnhaus, keine 300 Meter entfernt. Der weiße Rauch der Explosion steigt in den Himmel. Wortlos fährt Adil mit seinem frischen Brot davon, als wäre nichts passiert. Raketen-Einschläge gehören zum Alltag Grad-Einschläge sind für ihn eine Alltäglichkeit. Seit mehr als zwei Monaten steht seine Heimatstadt al-Galaa unter dem Beschuss dieser bis zu drei Meter langen Raketen russischen Fabrikats. Sie können mehrere Häuserwände durchschlagen und hinterlassen riesige Löcher. Selbst die Moschee ist schwer getrof

Nächster Stopp: Europa

Das tunesische Regime ist gestürzt. Und trotzdem flüchten Tausende von TunesierInnen mit dem Boot Richtung Italien. Weshalb? Auf der Suche nach Antworten in der Küstenstadt Sfax. Von der Hauptstrasse in Habib, einem Vorort von Sfax, führt der Weg irgendwann rechts auf eine holprige Piste, entlang einem Abwasserkanal über Müllreste, Metallteile und Plastik­tüten, die der Wind vor sich hertreibt, bis zum Bahndamm einer stillgelegten Bahnlinie. Vorne am Wasser ragt eine Müllhalde in die Höhe. Nisar bekommt grosse Augen voller Hoffnung, wenn er mit dem Finger dorthin zeigt. Als würde das Glück dort drüben im Sand vergraben liegen. «Hier verstecken sie sich nachts im Schilf, bevor sie an Bord gehen», sagt der 23-Jährige. Er trägt einen Trainingsanzug des englischen Fussballklubs Chelsea. «Manchmal müssen sie zum Boot schwimmen. Dann wird vorher kräftig Alkohol getrunken, um das eiskalte Wasser nicht zu spüren», sagt er lachend. Wenig später startet das Motorboot dann jeweils Richtung Italie

Vom Protest zum Umsturz ists weit

Nach den Protesten in Bahrain, Libyen, im Jemen und Iran sind fürs Wochenende auch in Marokko und Algerien Demonstrationen geplant. Steht im Maghreb eine neue Revolution bevor? Auf Spurensuche in Rabat. Rund tausend Demonstrierende zogen vergangenen Sonntag mit lauten Rufen die Avenue Mohammed V. im Zentrum der marokkanischen Hauptstadt Rabat rauf und runter. Doch die BesucherInnen in den Terrassencafés am Strassenrand zeigten sich davon wenig beeindruckt. «Arbeitslose», kommentierte ein Kellner lapidar und zuckte mit den Schultern. «Solche Proteste gibt es in den letzten Wochen fast jeden Tag», fügte ein Mitarbeiter des Goethe-Instituts hinzu. Uniformierte Polizisten standen in den Nebenstrassen, und weit abseits der Demonstration, mit ihren Funkgeräten beschäftigt, Beamte in Zivil. «Derzeit finden in Marokko täglich zwanzig Protestveranstaltungen statt», meldete sich Kommunikationsminister Chalid Naciri kürzlich zu Wort, «nicht mehr oder weniger als im Vorjahr.» Man habe nicht den Ei