Die Libyer stehen Schlange vor dem Kühlhaus, in dem der entstellte Körper des Ex-Diktators liegt. Im Internet behauptet ein Rebell, die entscheidenden Schüsse abgegeben zu haben.
Es ist der allerletzte Schritt der Entmachtung: Der Diktator liegt tot in einer heruntergekommenen Fleischkühlanlage. Seine ehemaligen Untertanen stehen Schlange, um seine Leiche zu sehen und sich zu vergewissern, dass kein Leben mehr in ihm steckt. Noch schnell ein Foto mit der Handykamera vom verblichenen „großen Revolutionsführer“, der entstellt und reglos am Boden liegt. Das gleiche Spektakel bei Mutassim, einem seiner acht Söhne, der ihm als Sicherheitschef diente und dessen Leichnam neben dem seines Vaters liegt. Eine Trophäenschau, wie bei erlegten Tieren.
Rätsel um Umstände von Gaddafis Tod
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„Gaddafi war schlimmer als Hitler“, behauptet der 23 Jahre alte Mohammed, der in Bab al-Asisa, der ehemaligen Residenz des Diktators, Revolutionsanstecker verkauft. „Er hat Söldner engagiert, um sein eigenes Volk zu ermorden, ließ Zivilisten bombardieren, foltern und hinrichten. Der Mann kannte keine Moral.“
Die Mauern des legendären Gaddafi-Areals haben Bagger mittlerweile eingerissen. Von den Kinderspielplätzen, dem Privatzoo und dem Zeltlager Gaddafis sind keine Spuren mehr zu finden. „Mit einem toten Gaddafi findet Libyen endlich seine Ruhe“, meint Selim Hamidan, ein General der libyschen Armee, der stolz seinen alten und dann den neuen Militärausweis des Nationalen Übergangsrats (NTC) zeigt.
Mit einem Schmunzeln erzählt er, dass er in den Krieg nicht eingreifen musste. „Ich bin bei der Luftabwehr, und die war nach zwei Tagen von Nato-Bombenangriffen außer Gefecht gesetzt. Ich hoffe für meinen Nachwuchs, dass er nun endlich eine Zukunft hat, eine gute Ausbildung und Jobs bekommen wird.“ Der 56-Jährige hat sieben Kinder und verdiente unter Gaddafi selbst als General nur 700 Dinar (350 Euro). Doch nun muss er los, er will noch nach Kanarienvögeln sehen und Bananen mit nach Hause bringen.
"Wie alle Libyer bin ich überglücklich über seinen Tod“
In der ehemaligen Villa Gaddafis sieht sich Fatima Hqaiq um. Sie ist Verlegerin und produziert Bücher für den Unterricht an der Universität. „Ich kenne das Haus schon, wollte es aber noch einmal sehen, nachdem Gaddafi nun tot ist“, erklärt die 47-Jährige. „Wie alle Libyer bin ich überglücklich über seinen Tod.“
Nun könne das richtige Leben beginnen, meint sie euphorisch. Gerade für die Frauen. Leicht sei das in der konservativen libyschen Gesellschaft nicht, aber Gaddafi habe die Frau, über die traditionelle Rolle hinaus, unter Druck gesetzt. Sie vertraue voll und ganz auf die Mitglieder des NTC: „Sie sind gebildet und wissen, was in der Welt gefordert ist.“
In Tripolis wird auf dem Grünen Platz jede Nacht unter schwarzblauem Himmel und Palmen gefeiert. Ein ausgelassenes Volksfest mit lauter Musik, unaufhörlichen Gott-ist-groß-Rufen, aufdringlichem Hupkonzert von Autos, Freudenschüssen der Rebellenkämpfer und glänzendem Feuerwerk. Die Stimmung ist so ausgelassen wie noch nie in der Hauptstadt.
Der Tod Gaddafis bedeutet das Ende des Krieges, der mit den Protesten am 17. Februar im ostlibyschen Bengasi seinen Anfang genommen hatte. Tausende Menschen wurden dabei getötet und verletzt, man schätzt bis zu 40.000 Tote.
Ein Bedauern der Umstände des Todes von Gaddafi oder der Zurschaustellung seiner Leiche gibt es nicht. Die Ankündigung der Vereinten Nationen, eine Untersuchung der Umstände einzuleiten, erntet verständnisloses Achselzucken. „Das können sie ruhig machen, interessiert aber in Libyen niemanden“, meint ein Mann in schwarzer Uniform, der für die Sicherheit rund um den Grünen Platz zuständig ist und alle Taschen geflissentlich kontrolliert.
Angeblich war den Rebellen seit mehreren Tagen bekannt gewesen, dass sich der „Führer“ in seiner Geburtsstadt Sirte aufhalte. „Wir mussten die Information geheim halten“, berichtet Anwar Sawan, einer der Rebellenkämpfer, die in Sirte waren. „Sonst wäre er womöglich noch entkommen. Vielleicht als Frau verkleidet, in einem Auto versteckt, oder er hätte Selbstmord begangen.“
Wenn es der NTC wusste, war es auch der Nato bekannt. Gut möglich, dass die Information auch von den westlichen Alliierten selbst stammte: Sirte stand unter permanenter Luftüberwachung. Der Konvoi Dutzender Fahrzeuge, der aus der umzingelten Stadt ausbrechen wollte, wurde von französischen Jets und einer US-Drohne angegriffen und getroffen. Zwei Militärfahrzeuge brannten aus, acht weitere wurden beschädigt und konnten nicht weiterfahren. Gaddafi flüchtete selbst oder wurde von seinen Begleitern angewiesen, in ein riesiges Abwasserrohr aus Beton unter der Straße vor weiteren Raketenagriffen Schutz zu suchen.
Die Todesumstände des ehemaligen Herrschers Libyens sind eigentlich eindeutig. Er wurde unter Schlägen und Beschimpfungen zum Auto gezerrt. Wie Videoaufnahmen zeigen, war er nur leicht verletzt, als er abgeführt wurde. Deutlich ist ein Streit zu hören, ob man Gaddafi erschießen solle oder nicht. Als die entscheidenden Schüsse fallen, ist Gaddafi nicht mehr im Bild.
„Er kam ins Kreuzfeuer und wurde von einer Kugel in den Kopf getroffen“, hatte Mahmud Dschibril, der Premierminister des NTC, als Todesursache angegeben. Das scheint unwahrscheinlich. Gaddafi war von allen Seiten umringt, als man ihn an seinen Haaren auf die Ladefläche eines Pick-ups zog. Die NTC-Soldaten hätten auch getroffen werden müssen, blieben jedoch alle unverletzt.
Die Kugel, die Gaddafi im Kopf traf, stammte aus einer Pistole vom Kaliber 9 Millimeter, wie ein Rebell versicherte, der an der Gefangennahme seines ehemaligen Führers beteiligt war. Eine Waffe, die Soldaten im Gefecht aus größerer Entfernung nicht benutzen.
Ein neues Video ist inzwischen aufgetaucht, in dem ein junger Rebell behauptet, er habe zwei Mal auf Gaddafi geschossen und ihn in Kopf und Achsel getroffen – nach dessen Festnahme. Er sei dann eine halbe Stunde später gestorben, behauptet der Kämpfer.
Trophäen tauchen auf: Gaddafis angebliche blutbefleckte Jacke, ein goldener Ring, der das Datum der Hochzeit Gaddafis mit seiner zweiten Frau Safia trägt, Gaddafis Schuh, sein goldener Colt. Es bleiben dennoch Fragen, die der Übergangsrat aber wohl nicht gewillt ist zu beantworten: Es werde keine Autopsie geben, dafür aber Wahlen innerhalb von acht Monaten.
Wo ist Saif al-Islam?
Für die Flucht in den Süden der Sahara, Richtung Niger oder Algerien, hatte sich der gestürzte Diktator zu spät entschieden. In diese Länder sind drei seiner Söhne, Tochter Aischa und seine Frau geflüchtet. Über den Verbleib seines Sohnes Saif al-Islam, der das politische Erbe hätte antreten sollen, gibt es widersprüchliche Angaben: Er soll etwa 160 Kilometer östlich von Tripolis verhaftet worden sein. Andere behaupten, er sei getötet oder verwundet worden. Wieder andere meinen, er sei noch frei und auf der Flucht Richtung Niger.
„Sie müssen die jungen Kämpfer verstehen, die Gaddafi verhafteten“, meint Yussef Mrayed, ein Bauingenieur. „Seit acht Monaten kennen sie nur Krieg, und sie sind keine ausgebildeten Soldaten.“ Gaddafi habe sich 42 Jahre lang wie ein Prophet oder Gott benommen, fügt der 65-Jährige an. „Nun ist es vorbei, und wir Libyer können endlich in die Zukunft blicken.“
Mit Freunden und Bekannten will Mrayed eine Partei gründen, was unter Gaddafi untersagt war. „Wir wollen Demokratie und Gerechtigkeit für alle.“ Man sei jetzt überglücklich, betont der Bauingenieur, der in Aachen studierte. Aber es bestehe die Angst, dass die Früchte der Revolution von Islamisten infrage gestellt würden. Er nennt Ismael Sallabi, einen bekannten islamischen Gelehrten und Fundamentalisten, der das 17. Bataillon in Bengasi anführt. „Sallabi hat im Fernsehen offen darüber gesprochen, dass wir in Libyen einen islamischen Staat brauchen.“
"Erklärung der Befreiung"
Vor Abdel Hakim Belhadsch, dem ehemaligen Emir der al-Qaida-nahen Libyschen Islamistischen Kampffront (LIFG), der heute den Militärrat von Tripolis leitet, hat Mrayed keine Angst. „Er hat sich mehrfach zur Demokratie bekannt und erklärt, dass seine Zeit als Kämpfer in Afghanistan und im Irak längst vergessene Historie sei.“
Am Sonntag will Libyen mit der „Erklärung der Befreiung“ ein neues Kapitel seiner leidvollen Geschichte aufschlagen. Es beginnt in Bengasi, an dem Ort, an dem der Aufstand gegen das Gaddafi-Regime im Februar ausbrach. Jetzt wird die Macht neu verteilt, da möchte jede Miliz, jeder der 140 Stämme und jeder Klan seine Pfründe sichern.
Das ganze Land steht noch immer unter Waffen. Gaddafi mag tot und entwürdigt im Kühlhaus liegen. Doch Libyen ist noch immer ein Pulverfass, das leicht explodieren kann.
Es ist der allerletzte Schritt der Entmachtung: Der Diktator liegt tot in einer heruntergekommenen Fleischkühlanlage. Seine ehemaligen Untertanen stehen Schlange, um seine Leiche zu sehen und sich zu vergewissern, dass kein Leben mehr in ihm steckt. Noch schnell ein Foto mit der Handykamera vom verblichenen „großen Revolutionsführer“, der entstellt und reglos am Boden liegt. Das gleiche Spektakel bei Mutassim, einem seiner acht Söhne, der ihm als Sicherheitschef diente und dessen Leichnam neben dem seines Vaters liegt. Eine Trophäenschau, wie bei erlegten Tieren.
Rätsel um Umstände von Gaddafis Tod
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„Gaddafi war schlimmer als Hitler“, behauptet der 23 Jahre alte Mohammed, der in Bab al-Asisa, der ehemaligen Residenz des Diktators, Revolutionsanstecker verkauft. „Er hat Söldner engagiert, um sein eigenes Volk zu ermorden, ließ Zivilisten bombardieren, foltern und hinrichten. Der Mann kannte keine Moral.“
Die Mauern des legendären Gaddafi-Areals haben Bagger mittlerweile eingerissen. Von den Kinderspielplätzen, dem Privatzoo und dem Zeltlager Gaddafis sind keine Spuren mehr zu finden. „Mit einem toten Gaddafi findet Libyen endlich seine Ruhe“, meint Selim Hamidan, ein General der libyschen Armee, der stolz seinen alten und dann den neuen Militärausweis des Nationalen Übergangsrats (NTC) zeigt.
Mit einem Schmunzeln erzählt er, dass er in den Krieg nicht eingreifen musste. „Ich bin bei der Luftabwehr, und die war nach zwei Tagen von Nato-Bombenangriffen außer Gefecht gesetzt. Ich hoffe für meinen Nachwuchs, dass er nun endlich eine Zukunft hat, eine gute Ausbildung und Jobs bekommen wird.“ Der 56-Jährige hat sieben Kinder und verdiente unter Gaddafi selbst als General nur 700 Dinar (350 Euro). Doch nun muss er los, er will noch nach Kanarienvögeln sehen und Bananen mit nach Hause bringen.
"Wie alle Libyer bin ich überglücklich über seinen Tod“
In der ehemaligen Villa Gaddafis sieht sich Fatima Hqaiq um. Sie ist Verlegerin und produziert Bücher für den Unterricht an der Universität. „Ich kenne das Haus schon, wollte es aber noch einmal sehen, nachdem Gaddafi nun tot ist“, erklärt die 47-Jährige. „Wie alle Libyer bin ich überglücklich über seinen Tod.“
Nun könne das richtige Leben beginnen, meint sie euphorisch. Gerade für die Frauen. Leicht sei das in der konservativen libyschen Gesellschaft nicht, aber Gaddafi habe die Frau, über die traditionelle Rolle hinaus, unter Druck gesetzt. Sie vertraue voll und ganz auf die Mitglieder des NTC: „Sie sind gebildet und wissen, was in der Welt gefordert ist.“
In Tripolis wird auf dem Grünen Platz jede Nacht unter schwarzblauem Himmel und Palmen gefeiert. Ein ausgelassenes Volksfest mit lauter Musik, unaufhörlichen Gott-ist-groß-Rufen, aufdringlichem Hupkonzert von Autos, Freudenschüssen der Rebellenkämpfer und glänzendem Feuerwerk. Die Stimmung ist so ausgelassen wie noch nie in der Hauptstadt.
Der Tod Gaddafis bedeutet das Ende des Krieges, der mit den Protesten am 17. Februar im ostlibyschen Bengasi seinen Anfang genommen hatte. Tausende Menschen wurden dabei getötet und verletzt, man schätzt bis zu 40.000 Tote.
Ein Bedauern der Umstände des Todes von Gaddafi oder der Zurschaustellung seiner Leiche gibt es nicht. Die Ankündigung der Vereinten Nationen, eine Untersuchung der Umstände einzuleiten, erntet verständnisloses Achselzucken. „Das können sie ruhig machen, interessiert aber in Libyen niemanden“, meint ein Mann in schwarzer Uniform, der für die Sicherheit rund um den Grünen Platz zuständig ist und alle Taschen geflissentlich kontrolliert.
Angeblich war den Rebellen seit mehreren Tagen bekannt gewesen, dass sich der „Führer“ in seiner Geburtsstadt Sirte aufhalte. „Wir mussten die Information geheim halten“, berichtet Anwar Sawan, einer der Rebellenkämpfer, die in Sirte waren. „Sonst wäre er womöglich noch entkommen. Vielleicht als Frau verkleidet, in einem Auto versteckt, oder er hätte Selbstmord begangen.“
Wenn es der NTC wusste, war es auch der Nato bekannt. Gut möglich, dass die Information auch von den westlichen Alliierten selbst stammte: Sirte stand unter permanenter Luftüberwachung. Der Konvoi Dutzender Fahrzeuge, der aus der umzingelten Stadt ausbrechen wollte, wurde von französischen Jets und einer US-Drohne angegriffen und getroffen. Zwei Militärfahrzeuge brannten aus, acht weitere wurden beschädigt und konnten nicht weiterfahren. Gaddafi flüchtete selbst oder wurde von seinen Begleitern angewiesen, in ein riesiges Abwasserrohr aus Beton unter der Straße vor weiteren Raketenagriffen Schutz zu suchen.
Die Todesumstände des ehemaligen Herrschers Libyens sind eigentlich eindeutig. Er wurde unter Schlägen und Beschimpfungen zum Auto gezerrt. Wie Videoaufnahmen zeigen, war er nur leicht verletzt, als er abgeführt wurde. Deutlich ist ein Streit zu hören, ob man Gaddafi erschießen solle oder nicht. Als die entscheidenden Schüsse fallen, ist Gaddafi nicht mehr im Bild.
„Er kam ins Kreuzfeuer und wurde von einer Kugel in den Kopf getroffen“, hatte Mahmud Dschibril, der Premierminister des NTC, als Todesursache angegeben. Das scheint unwahrscheinlich. Gaddafi war von allen Seiten umringt, als man ihn an seinen Haaren auf die Ladefläche eines Pick-ups zog. Die NTC-Soldaten hätten auch getroffen werden müssen, blieben jedoch alle unverletzt.
Die Kugel, die Gaddafi im Kopf traf, stammte aus einer Pistole vom Kaliber 9 Millimeter, wie ein Rebell versicherte, der an der Gefangennahme seines ehemaligen Führers beteiligt war. Eine Waffe, die Soldaten im Gefecht aus größerer Entfernung nicht benutzen.
Ein neues Video ist inzwischen aufgetaucht, in dem ein junger Rebell behauptet, er habe zwei Mal auf Gaddafi geschossen und ihn in Kopf und Achsel getroffen – nach dessen Festnahme. Er sei dann eine halbe Stunde später gestorben, behauptet der Kämpfer.
Trophäen tauchen auf: Gaddafis angebliche blutbefleckte Jacke, ein goldener Ring, der das Datum der Hochzeit Gaddafis mit seiner zweiten Frau Safia trägt, Gaddafis Schuh, sein goldener Colt. Es bleiben dennoch Fragen, die der Übergangsrat aber wohl nicht gewillt ist zu beantworten: Es werde keine Autopsie geben, dafür aber Wahlen innerhalb von acht Monaten.
Wo ist Saif al-Islam?
Für die Flucht in den Süden der Sahara, Richtung Niger oder Algerien, hatte sich der gestürzte Diktator zu spät entschieden. In diese Länder sind drei seiner Söhne, Tochter Aischa und seine Frau geflüchtet. Über den Verbleib seines Sohnes Saif al-Islam, der das politische Erbe hätte antreten sollen, gibt es widersprüchliche Angaben: Er soll etwa 160 Kilometer östlich von Tripolis verhaftet worden sein. Andere behaupten, er sei getötet oder verwundet worden. Wieder andere meinen, er sei noch frei und auf der Flucht Richtung Niger.
„Sie müssen die jungen Kämpfer verstehen, die Gaddafi verhafteten“, meint Yussef Mrayed, ein Bauingenieur. „Seit acht Monaten kennen sie nur Krieg, und sie sind keine ausgebildeten Soldaten.“ Gaddafi habe sich 42 Jahre lang wie ein Prophet oder Gott benommen, fügt der 65-Jährige an. „Nun ist es vorbei, und wir Libyer können endlich in die Zukunft blicken.“
Mit Freunden und Bekannten will Mrayed eine Partei gründen, was unter Gaddafi untersagt war. „Wir wollen Demokratie und Gerechtigkeit für alle.“ Man sei jetzt überglücklich, betont der Bauingenieur, der in Aachen studierte. Aber es bestehe die Angst, dass die Früchte der Revolution von Islamisten infrage gestellt würden. Er nennt Ismael Sallabi, einen bekannten islamischen Gelehrten und Fundamentalisten, der das 17. Bataillon in Bengasi anführt. „Sallabi hat im Fernsehen offen darüber gesprochen, dass wir in Libyen einen islamischen Staat brauchen.“
"Erklärung der Befreiung"
Vor Abdel Hakim Belhadsch, dem ehemaligen Emir der al-Qaida-nahen Libyschen Islamistischen Kampffront (LIFG), der heute den Militärrat von Tripolis leitet, hat Mrayed keine Angst. „Er hat sich mehrfach zur Demokratie bekannt und erklärt, dass seine Zeit als Kämpfer in Afghanistan und im Irak längst vergessene Historie sei.“
Am Sonntag will Libyen mit der „Erklärung der Befreiung“ ein neues Kapitel seiner leidvollen Geschichte aufschlagen. Es beginnt in Bengasi, an dem Ort, an dem der Aufstand gegen das Gaddafi-Regime im Februar ausbrach. Jetzt wird die Macht neu verteilt, da möchte jede Miliz, jeder der 140 Stämme und jeder Klan seine Pfründe sichern.
Das ganze Land steht noch immer unter Waffen. Gaddafi mag tot und entwürdigt im Kühlhaus liegen. Doch Libyen ist noch immer ein Pulverfass, das leicht explodieren kann.
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