Der US-Journalist James Foley wurde vor laufender Kamera von den IS-Terroristen enthauptet. Unser Reporter Alfred Hackensberger war mit ihm in Krisengebieten unterwegs. Sein Nachruf.
Der US-Reporter James Foley †
Foto: AP
Die Brutalität und die Geringschätzung menschlichen Lebens sind nicht zu überbieten. In einer als "Botschaft an Amerika" inszenierten
Exekution wird der US-Journalist James Foley geköpft. Der 40-Jährige
wird als Strafe für die Luftangriffe der USA im Irak getötet – ein
Menschenopfer wie aus früheren Zeiten. Das am Dienstag vom Islamischen
Staat (IS) veröffentlichte Internetvideo
zeigt zunächst Fernsehbilder von Obama, wie er die jüngsten
Luftangriffe auf Stellungen des IS im Irak bekannt gibt. Danach sieht
man Foley im Freien kniend, in orangefarbener Gefangenenkleidung und die
Hände am Rücken gefesselt. Der Journalist muss eine vorher einstudierte
Erklärung abgeben.
Darin richtet er
einen Appell an seine Familie und Freunde, die sich gegen die
"eigentlichen Kriminellen", die US-Regierung, wehren sollten. Denn das
Weiße Haus und seine Bomben trügen die eigentliche Verantwortung für
seinen Tod, so argumentiert Foley gezwungenermaßen. Was ist das für ein
Hohn, wenn man in den letzten Momenten seines Lebens gezwungen wird,
Lügen zu verbreiten. Man muss lange mit Foley geübt haben, denn er
verspricht sich kein einziges Mal.
Seine
Verzweiflung ist ihm dennoch anzusehen. Er spricht wie eine Maschine,
als sei er vorher einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Nach zwei Jahren
in Geiselhaft ist das kein Wunder. Die IS-Milizen sind bekannt dafür,
ihre Gefangenen wie Hunde zu behandeln, sie zu erniedrigen, zu
misshandeln und zu foltern. Nur wer zum Islam konvertiert, darf auf eine
halbwegs anständige Behandlung mit regelmäßiger Verpflegung und einer
gelegentlichen Dusche hoffen. Foley scheint für das Video zurechtgemacht
worden zu sein. Er wirkt frisch rasiert und gewaschen. Seine
orangefarbene Kleidung ist neu und den Gefangenenuniformen in
US-Gefängnissen nachempfunden.
Erfahrung mit Entführungen
Foley war im
November 2012 spurlos verschwunden. Er soll in Syrien in der Nähe des
Militärflughafens von Taftanaz gekidnappt worden sein, als es dort
heftige Kämpfe zwischen Regime und syrischen Rebellen gab. Lange Zeit
wusste man nichts über den Verbleib des Amerikaners aus Rochester, der
für das Online-Magazin "Globalpost" und die Nachrichtenagentur AFP arbeitete.
Nachdem es mehr als
ein Jahr kein Lebenszeichen und keine Forderungen von Entführern gegeben
hatte, wurde schon gemutmaßt, er sei nicht mehr am Leben. Andere
glaubten, er sei in den Händen des Regimes. Zu dem Zeitpunkt, als Foley
verschwand, gab es noch keinen IS. Dieser wurde erst im April 2013
offiziell gegründet. Der US-Journalist muss entweder von seinen
Entführern später an den IS weiterverkauft worden sein, oder die
ursprünglichen Entführer sind dem IS beigetreten.
Den Eltern
Foleys setzte das Verschwinden des Sohns schwer zu. Aber bis zuletzt
hegten sie die Hoffnung, dass es so glimpflich ausgehen würde wie zuvor
in Libyen. Ihr Sohn war dort während des Bürgerkriegs zusammen mit drei
anderen Reportern von Truppen des damaligen Diktators Muammar al-Gaddafi
gefangen und sechs Wochen lang festgehalten worden. Bis zu seiner
Freilassung hatten die Eltern nichts von ihm gehört. "Im Gefängnis habe
ich mir von den Wärtern einen Koran geben lassen", berichtete Foley
später. "Dann trat ich zum Islam über, einfach nur, um Ruhe vor den
Gaddafi-Leuten zu haben."
Besonders
schlimm sei es im libyschen Knast zu keinem Zeitpunkt gewesen, sagte
Foley nach seiner Freilassung. Die Erfahrungen in Syrien dürften andere
gewesen sein. Die Eltern gaben verzweifelt Pressekonferenzen,
appellierten an Rebellengruppen sowie an die Regierung in Damaskus und
baten darum, ihr Sohn möge freigelassen werden. James Foley sei ein
ausgewogener Journalist mit einer hohen Arbeitsethik, der keine Mühen
scheue, um die Realität darzustellen. "Wir waren nie stolzer auf unseren
Sohn Jim", sagte die Muter, Diane Foley, nachdem sie vom Tod ihres
Sohnes erfahren hat. "Er hat sein Leben gegeben, um zu zeigen, wie die
Menschen in Syrien leiden."
Unerschrocken und mutig
James war mit
seiner Videokamera unerschrocken. Er war nach Angriffen meist einer der
ersten Journalisten, die sich an die Front wagten. Sobald das
Mörserfeuer oder die Bombardierungen nachließen, kam er aus der Deckung
und filmte die Zerstörung. Er ging in Feldlazarette, sprach mit
Bewohnern, die sich versteckt hielten, und er sprach mit den Kämpfern an
der Front.
James Foley war
einer, den man bewundern musste. Weil er sich nicht drückte und weil er
dabei so unendlich sympathisch war. Deshalb setzten sich auch viele
Kollegen ein, nachdem sie von seiner Entführung in Syrien erfuhren.
Rebellenkontakte wurden bemüht, um ihn möglichst bald freizubekommen.
Aber leider endeten alle Versuche mit dem gleichen Ergebnis: Kommandeure
gaben zu, man wisse, wo er sei und wer ihn festhalte. Immer wieder
wurde erklärt, es sei nur eine Frage von wenigen Tagen, bis Foley wieder
freikomme.
In einigen
Fällen wurden sogar Emissäre losgeschickt, die ihn abholen sollten. Aber
aus den Tagen wurden Monate und daraus schließlich zwei Jahre. Foley
blieb verschollen, bis schließlich Gefangene, die aus IS-Kerkern
freigekommen waren, von einem groß gewachsenen US-Amerikaner, der auf
seinen Namen hörte, berichteten.
Es tauchten
sogar Leute auf, die mit Lebenszeichen von Foley Geld verdienen wollten.
Gegen eine "Gebühr" wurden Videos angeboten – es gab auch mehrere
Offerten dieser Art an den Autor dieses Artikels –, auf diesen
Bewegtbildaufnahmen sollte Foley im Gefängnis bei IS zu sehen sein.
Sicher sein, dass der Journalist tatsächlich noch am Leben ist, konnte
man sich nie.
Nun taucht ein
Video auf, das einerseits das lang erhoffte Lebenszeichen darstellt –
und gleichzeitig alle Hoffnung auf ein Wiedersehen mit James Foley
raubt. Am Ende zeigen die Terroristen seine Leiche und den abgetrennten
Kopf.
Der maskierte
Mörder mit britischem Akzent präsentiert zum Schluss einen zweiten
US-Journalisten. Ihn erwarte das gleiche Schicksal, droht der IS-Mann
mit dem schwerem Londoner Zungenschlag. Abwenden könne das nur
US-Präsident Barack Obama, indem er die Bombardierung des Irak
einstelle.
Der Name des
zweiten Journalisten ist Steven Sotloff, der seit Juli 2013 vermisst
wird. Ihn hatten Bewaffnete wenige Kilometer hinter Azaz, der syrischen
Grenzstadt zur Türkei, in seinem Wagen gestoppt und entführt, als er als
freier Reporter für die Medien "Time", "National Interest" und
"MediaLine" recherchierte. Sotloffs syrische Begleiter wurden ebenfalls
verhaftet, kamen aber nach drei Wochen wieder frei. Der Amerikaner aber
blieb verschollen – bis er neben Foley in dem IS-Video auftauchte.
"Wir flehen die
Kidnapper an, das Leben der restlichen Geiseln zu verschonen", sagte
Diane Foley, die Mutter des enthaupteten US-Journalisten. "Wie Jim sind
auch sie Unschuldige. Sie haben keine Kontrolle über die Politik der
US-Regierung im Irak, in Syrien oder irgendwo sonst in der Welt."
An die Schmerzgrenze
Auch Sotloff
ist bekannt dafür, dass er an die Schmerzgrenze geht für seinen Job. "Du
schaffst es einfach nicht, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen oder?",
hatte zuletzt eine Freundin an seine Facebook-Wand geschrieben. Zuvor
hatte der US-Amerikaner seine Facebook-Freunde darüber unterrichtet, wie
er im türkischen Antakia, kurz vor der syrischen Grenze, von
Polizeikräften niedergerungen worden war, nachdem er mit seiner Kamera
einen Demonstrationszug filmte. Das war offenbar zu viel der Nähe
gewesen für den Geschmack der türkischen Sicherheitskräfte, die ihm eine
Ladung Pfefferspray verpassten.
Man habe ihm
seine Kamera abgenommen und ihn auf eine Polizeiwache gebracht, sagte
Sotloff. Zuletzt habe er seine Fotoausrüstung wiederbekommen, mit
gelöschter Speicherkarte, aber mit durchaus freundlicher Geste, wie er
berichtete. "Die Lage ist ernst da unten", schrieb die Facebook-Freundin
warnend und ließ nicht locker. "Du solltest die Grenze nach Syrien
nicht überqueren. Denn dort wird man dich am Ende nicht höflich
behandeln."
Die Nachrichten
stammen vom 31. Juli 2013, und sie sind das Letzte, was von Steven zu
lesen ist. Wenige Tage später reiste er tatsächlich nach Syrien und fiel
in die Hände der Terroristen. Nun trägt er orangefarbene Häftlingskluft
und steht auf der Todesliste des IS. "Normalerweise gehöre ich nicht zu
denjenigen, die beten", postete Sotloffs Schwester am 7. August auf
Facebook. "Aber heute scheint ein guter Tag, damit anzufangen."
Sotloff und
Foley wussten, worauf sie sich einließen. Sie wussten, wie man sich in
Krisengebieten bewegt. Sotloff etwa kannte den Jemen und hatte gerade
über die blutigen Unruhen in Bahrain berichtet. Foley berichtete aus
Afghanistan, dem Irak und Libyen. Unerfahrenheit kann man ihnen nicht
vorwerfen. Es sind Terrorgruppen wie IS oder auch der syrische
Al-Qaida-Ableger Dschabhat al-Nusra, die systematisch Jagd auf
Journalisten machen. Denn die Berichterstatter sehen hin und schaffen
Transparenz, wo die Islamisten Dunkelheit und Angst bevorzugen.
Mitarbeit: Eva Marie Kogel
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