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James Foley, der unerschrockene Held


Die Brutalität und die Geringschätzung menschlichen Lebens sind nicht zu überbieten. In einer als "Botschaft an Amerika" inszenierten Exekution wird der US-Journalist James Foley geköpft. Der 40-Jährige wird als Strafe für die Luftangriffe der USA im Irak getötet – ein Menschenopfer wie aus früheren Zeiten. Das am Dienstag vom Islamischen Staat (IS) veröffentlichte Internetvideo zeigt zunächst Fernsehbilder von Obama, wie er die jüngsten Luftangriffe auf Stellungen des IS im Irak bekannt gibt. Danach sieht man Foley im Freien kniend, in orangefarbener Gefangenenkleidung und die Hände am Rücken gefesselt. Der Journalist muss eine vorher einstudierte Erklärung abgeben.
Darin richtet er einen Appell an seine Familie und Freunde, die sich gegen die "eigentlichen Kriminellen", die US-Regierung, wehren sollten. Denn das Weiße Haus und seine Bomben trügen die eigentliche Verantwortung für seinen Tod, so argumentiert Foley gezwungenermaßen. Was ist das für ein Hohn, wenn man in den letzten Momenten seines Lebens gezwungen wird, Lügen zu verbreiten. Man muss lange mit Foley geübt haben, denn er verspricht sich kein einziges Mal.
Seine Verzweiflung ist ihm dennoch anzusehen. Er spricht wie eine Maschine, als sei er vorher einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Nach zwei Jahren in Geiselhaft ist das kein Wunder. Die IS-Milizen sind bekannt dafür, ihre Gefangenen wie Hunde zu behandeln, sie zu erniedrigen, zu misshandeln und zu foltern. Nur wer zum Islam konvertiert, darf auf eine halbwegs anständige Behandlung mit regelmäßiger Verpflegung und einer gelegentlichen Dusche hoffen. Foley scheint für das Video zurechtgemacht worden zu sein. Er wirkt frisch rasiert und gewaschen. Seine orangefarbene Kleidung ist neu und den Gefangenenuniformen in US-Gefängnissen nachempfunden.

Erfahrung mit Entführungen

Foley war im November 2012 spurlos verschwunden. Er soll in Syrien in der Nähe des Militärflughafens von Taftanaz gekidnappt worden sein, als es dort heftige Kämpfe zwischen Regime und syrischen Rebellen gab. Lange Zeit wusste man nichts über den Verbleib des Amerikaners aus Rochester, der für das Online-Magazin "Globalpost" und die Nachrichtenagentur AFP arbeitete.
James Foley verschwand im November 2012
Foto: dpa  
 
James Foley verschwand im November 2012
Nachdem es mehr als ein Jahr kein Lebenszeichen und keine Forderungen von Entführern gegeben hatte, wurde schon gemutmaßt, er sei nicht mehr am Leben. Andere glaubten, er sei in den Händen des Regimes. Zu dem Zeitpunkt, als Foley verschwand, gab es noch keinen IS. Dieser wurde erst im April 2013 offiziell gegründet. Der US-Journalist muss entweder von seinen Entführern später an den IS weiterverkauft worden sein, oder die ursprünglichen Entführer sind dem IS beigetreten.
Den Eltern Foleys setzte das Verschwinden des Sohns schwer zu. Aber bis zuletzt hegten sie die Hoffnung, dass es so glimpflich ausgehen würde wie zuvor in Libyen. Ihr Sohn war dort während des Bürgerkriegs zusammen mit drei anderen Reportern von Truppen des damaligen Diktators Muammar al-Gaddafi gefangen und sechs Wochen lang festgehalten worden. Bis zu seiner Freilassung hatten die Eltern nichts von ihm gehört. "Im Gefängnis habe ich mir von den Wärtern einen Koran geben lassen", berichtete Foley später. "Dann trat ich zum Islam über, einfach nur, um Ruhe vor den Gaddafi-Leuten zu haben."
Besonders schlimm sei es im libyschen Knast zu keinem Zeitpunkt gewesen, sagte Foley nach seiner Freilassung. Die Erfahrungen in Syrien dürften andere gewesen sein. Die Eltern gaben verzweifelt Pressekonferenzen, appellierten an Rebellengruppen sowie an die Regierung in Damaskus und baten darum, ihr Sohn möge freigelassen werden. James Foley sei ein ausgewogener Journalist mit einer hohen Arbeitsethik, der keine Mühen scheue, um die Realität darzustellen. "Wir waren nie stolzer auf unseren Sohn Jim", sagte die Muter, Diane Foley, nachdem sie vom Tod ihres Sohnes erfahren hat. "Er hat sein Leben gegeben, um zu zeigen, wie die Menschen in Syrien leiden."

Unerschrocken und mutig

James war mit seiner Videokamera unerschrocken. Er war nach Angriffen meist einer der ersten Journalisten, die sich an die Front wagten. Sobald das Mörserfeuer oder die Bombardierungen nachließen, kam er aus der Deckung und filmte die Zerstörung. Er ging in Feldlazarette, sprach mit Bewohnern, die sich versteckt hielten, und er sprach mit den Kämpfern an der Front.
James Foley war einer, den man bewundern musste. Weil er sich nicht drückte und weil er dabei so unendlich sympathisch war. Deshalb setzten sich auch viele Kollegen ein, nachdem sie von seiner Entführung in Syrien erfuhren. Rebellenkontakte wurden bemüht, um ihn möglichst bald freizubekommen. Aber leider endeten alle Versuche mit dem gleichen Ergebnis: Kommandeure gaben zu, man wisse, wo er sei und wer ihn festhalte. Immer wieder wurde erklärt, es sei nur eine Frage von wenigen Tagen, bis Foley wieder freikomme.
In einigen Fällen wurden sogar Emissäre losgeschickt, die ihn abholen sollten. Aber aus den Tagen wurden Monate und daraus schließlich zwei Jahre. Foley blieb verschollen, bis schließlich Gefangene, die aus IS-Kerkern freigekommen waren, von einem groß gewachsenen US-Amerikaner, der auf seinen Namen hörte, berichteten.
Es tauchten sogar Leute auf, die mit Lebenszeichen von Foley Geld verdienen wollten. Gegen eine "Gebühr" wurden Videos angeboten – es gab auch mehrere Offerten dieser Art an den Autor dieses Artikels –, auf diesen Bewegtbildaufnahmen sollte Foley im Gefängnis bei IS zu sehen sein. Sicher sein, dass der Journalist tatsächlich noch am Leben ist, konnte man sich nie.
Nun taucht ein Video auf, das einerseits das lang erhoffte Lebenszeichen darstellt – und gleichzeitig alle Hoffnung auf ein Wiedersehen mit James Foley raubt. Am Ende zeigen die Terroristen seine Leiche und den abgetrennten Kopf.
Der maskierte Mörder mit britischem Akzent präsentiert zum Schluss einen zweiten US-Journalisten. Ihn erwarte das gleiche Schicksal, droht der IS-Mann mit dem schwerem Londoner Zungenschlag. Abwenden könne das nur US-Präsident Barack Obama, indem er die Bombardierung des Irak einstelle.
Der Name des zweiten Journalisten ist Steven Sotloff, der seit Juli 2013 vermisst wird. Ihn hatten Bewaffnete wenige Kilometer hinter Azaz, der syrischen Grenzstadt zur Türkei, in seinem Wagen gestoppt und entführt, als er als freier Reporter für die Medien "Time", "National Interest" und "MediaLine" recherchierte. Sotloffs syrische Begleiter wurden ebenfalls verhaftet, kamen aber nach drei Wochen wieder frei. Der Amerikaner aber blieb verschollen – bis er neben Foley in dem IS-Video auftauchte.
"Wir flehen die Kidnapper an, das Leben der restlichen Geiseln zu verschonen", sagte Diane Foley, die Mutter des enthaupteten US-Journalisten. "Wie Jim sind auch sie Unschuldige. Sie haben keine Kontrolle über die Politik der US-Regierung im Irak, in Syrien oder irgendwo sonst in der Welt."

An die Schmerzgrenze

Auch Sotloff ist bekannt dafür, dass er an die Schmerzgrenze geht für seinen Job. "Du schaffst es einfach nicht, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen oder?", hatte zuletzt eine Freundin an seine Facebook-Wand geschrieben. Zuvor hatte der US-Amerikaner seine Facebook-Freunde darüber unterrichtet, wie er im türkischen Antakia, kurz vor der syrischen Grenze, von Polizeikräften niedergerungen worden war, nachdem er mit seiner Kamera einen Demonstrationszug filmte. Das war offenbar zu viel der Nähe gewesen für den Geschmack der türkischen Sicherheitskräfte, die ihm eine Ladung Pfefferspray verpassten.
Man habe ihm seine Kamera abgenommen und ihn auf eine Polizeiwache gebracht, sagte Sotloff. Zuletzt habe er seine Fotoausrüstung wiederbekommen, mit gelöschter Speicherkarte, aber mit durchaus freundlicher Geste, wie er berichtete. "Die Lage ist ernst da unten", schrieb die Facebook-Freundin warnend und ließ nicht locker. "Du solltest die Grenze nach Syrien nicht überqueren. Denn dort wird man dich am Ende nicht höflich behandeln."
Die Nachrichten stammen vom 31. Juli 2013, und sie sind das Letzte, was von Steven zu lesen ist. Wenige Tage später reiste er tatsächlich nach Syrien und fiel in die Hände der Terroristen. Nun trägt er orangefarbene Häftlingskluft und steht auf der Todesliste des IS. "Normalerweise gehöre ich nicht zu denjenigen, die beten", postete Sotloffs Schwester am 7. August auf Facebook. "Aber heute scheint ein guter Tag, damit anzufangen."
Sotloff und Foley wussten, worauf sie sich einließen. Sie wussten, wie man sich in Krisengebieten bewegt. Sotloff etwa kannte den Jemen und hatte gerade über die blutigen Unruhen in Bahrain berichtet. Foley berichtete aus Afghanistan, dem Irak und Libyen. Unerfahrenheit kann man ihnen nicht vorwerfen. Es sind Terrorgruppen wie IS oder auch der syrische Al-Qaida-Ableger Dschabhat al-Nusra, die systematisch Jagd auf Journalisten machen. Denn die Berichterstatter sehen hin und schaffen Transparenz, wo die Islamisten Dunkelheit und Angst bevorzugen.
Mitarbeit: Eva Marie Kogel

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