In Homs steht die Freie Syrische Armee mit dem Rücken zur
Wand. Wo einst der Protest gegen Assad begann, sind jetzt seine Truppen
auf dem Vormarsch. Auch junge Deutsche kämpfen gegen sie. Von Alfred Hackensberger
Sie tragen Westen mit
Sprengstoff und drohen, sich in die Luft zu sprengen. "Wo sind die
Waffen, die uns aus dem Ausland versprochen wurden?", fragt einer der
Rebellen. "Nichts ist gekommen, und uns bleiben nur diese
Explosivgürtel, um das Regime zu bekämpfen." Im Hintergrund sind Schüsse
und Granateneinschläge zu hören. Dieses Internetvideo, das in der
Khalid-Ibn-al-Walid-Moschee von Homs aufgenommen wurde, zeigt deutlich:
Die Lage der Freien Syrischen Armee (FSA) ist verzweifelt.
Die Moschee aus
dem 13. Jahrhundert, bekannt für ihre neun Kuppeln, liegt im Stadtteil
al-Khaldieh, auf den sich die Angriffe der Regierungstruppen
konzentrieren. Die Kämpfer der FSA stehen mit dem Rücken zur Wand, und
der Verlust ihrer letzten Bastionen in der "Hauptstadt der Revolution"
scheint nur eine Frage der Zeit. In Homs gab es im April 2011 die ersten
großen Proteste. Zeitweilig war beinahe die gesamte Stadt in der Hand
der Rebellen. Heute sind es noch etwa 20 Prozent.
Die
Großoffensive der Regimetruppen begann am 29. Juni. Mehr als eine Woche
lang wurden die von den Rebellen gehaltenen Stadtteile Tag und Nacht von
Artillerie und Panzern beschossen. Zwei Drittel aller Häuser sollen dem
Erdboden gleichgemacht sein. Ein militärisches Vorgehen, das die
Syrische Armee bereits erfolgreich in der Stadt Kusseir praktizierte.
"Es stand nichts mehr, wo wir uns hätten verstecken können", berichtete
ein Kämpfer aus der Grenzstadt zum Libanon, die Anfang Juni von der FSA
aufgegeben werden musste.
Rebellen sind in der Altstadt eingeschlossen
In Homs sind die
Rebellen in der Altstadt und in al-Khaldieh eingeschlossen. Sie hatten
sich dort verschanzt, nachdem sie im März 2012 aus Baba Amro vertrieben
worden waren. Baba Amro gelangte zu trauriger Berühmtheit, als die
Assad-Truppen den Bezirk drei Monate belagerten und bombardierten.
Hunderte starben, darunter die US-Journalistin Marie Colvin und der
französische Fotograf Remi Ochlik.
"Die Offensive
des Regimes ist unglaublich aggressiv und wohl koordiniert", berichtete
Tarik, ein Rebellenaktivist aus Homs. "Es sieht so aus, als wollten sie
al-Khaldieh um jeden Preis nehmen." Die Regimetruppen greifen von drei
Seiten gleichzeitig an und sollen bereits große Teile des
Rebellenterritoriums eingenommen haben, wie das syrische Staatsfernsehen
meldete. Die FSA widersprach umgehend. "Trotz heftigsten Beschusses
halten unsere Kämpfer aus."
Wie schon in
Kusseir kämpfen die Rebellen nicht gegen die syrische Armee allein.
Elitesoldaten der schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Libanon sind an
vorderster Front. Sie sind im Häuserkampf ausgebildet. Ein
entscheidendes Element, das den Regimetruppen bisher fehlte. Die Planung
und Koordination der Angriffe übernehmen hochrangige Offiziere der
iranischen Revolutionären Garden. Aus dem Iran stammen auch die Drohnen
zur Luftaufklärung sowie neue Waffensysteme wie Vakuumbomben, die ganze
Gebäudekomplexe einstürzen lassen.
Aus Ländern der
Europäischen Union halten sich nach Erkenntnissen von
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) rund 1000 junge Menschen
in Syrien auf. Auch 60 Deutsche mischen auf Seiten der islamistischen
Gruppen in diesem Kampf mit und stellen laut Friedrich eine Gefahr bei
ihrer Rückkehr nach Deutschland dar.
Seit einem Jahr Wasser und Strom abgestellt
Zwischen 2500
und 4000 Zivilisten, so schätzen die Vereinten Nationen, sollen sich in
den umkämpften Stadtteilen in Homs noch aufhalten. In al-Khaldieh haben
die syrischen Behörden vor einem Jahr Wasser und Elektrizität
abgestellt. Medizin und Lebensmittel müssen wie Waffen und Munition
durch feindliche Linien eingeschmuggelt werden. Seit der Einnahme von
Kusseir und Tel Kalakh, einer zweiten Grenzstadt zum Libanon, die Ende
Juni erobert wurde, sind die Rebellen in Homs von ihren gewohnten
Nachschubrouten abgeschlossen.
Als das Regime
im April eine landesweite Offensive ankündigte, bereitete sich die
FSA-Führung auf einen Angriff in Aleppo vor. Nun scheint es jedoch, dass
das Regime eine langfristige Offensive plant und Schritt für Schritt
vorangeht. Strategisch wichtige Ziele werden unerbittlich eingenommen.
Der gesamte
Süden Syriens soll von "Terroristen gesäubert" werden, um die Achse von
Damaskus bis nach Aleppo zu sichern. Jetzt ist es Homs, danach wird die
Provinz Hama folgen, und der Angriff auf Aleppo ist nur eine Frage der
Zeit. Das Regime befindet sich auf dem Vormarsch.
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