Wie al-Qaida den verhassten Westen treffen will
Al-Qaida liefert potenziellen Attentätern Pläne, um in
westlichen Ländern Autos in Brand zu setzen oder Unfälle zu provozieren.
Schon Bin Laden legte "soft targets" wie Brücken als Ziele fest. Von Alfred Hackensberger
"Bekämpft eure Feinde
und die Feinde Gottes! Lasst es nicht zu, dass Säkulare und andere
Westler Amok laufen!" Mit dieser Botschaft richtet sich die Organisation
al-Qaida
im Maghreb (Aqim) an die muslimische Jugend Nordafrikas und fordert sie
zum Dschihad gegen die französischen Truppen in Mali auf. Es ist das
erste Statement der Terrororganisation nach der Militärintervention
Frankreichs.
Anscheinend ist
es um Aqim wegen der Bombardierung und des Einsatzes französischer
Spezialeinheiten im Norden Malis nicht gut bestellt. Man braucht neue
Rekruten, wie das Dokument, das auf einer der einschlägigen
Dschihadseiten publiziert wurde, nahelegt: "Söhne von Tunesien, Marokko,
Libyen und Mauretanien, greift die Kreuzfahrer an, besiegt ihre
Stellvertreter und stärkt damit das islamische Projekt." Es ist eine
relativ harmlose Propaganda, mit der Aqim neue Kämpfer zu rekrutieren
sucht.
Mit ganz anderen
Kalibern arbeitet die Partnerorganisation aus Jemen. In der neuen und
mittlerweile zehnten Ausgabe ihres Magazins "Inspire" liefert al-Qaida
der arabischen Halbinsel (Aqap) Terroranleitungen, die geschmackloser
und zynischer nicht sein könnten. Unter der Überschrift "Gibt es noch
sichere Parkplätze?" wird detailliert erläutert, wie man Fahrzeuge in
Brand stecken kann. "Wie sicher wird man sich im Westen beim Parken
fühlen, wenn bekannt ist, dass jederzeit Feuer ausbrechen kann?"
Obwohl es kaum
geschmackloser geht, wird in der Rubrik "Provokation von Autounfällen"
noch eins drauf gesetzt. Man solle Straßen mit Schmieröl präparieren.
"Ein schlitterndes Auto muss nicht unbedingt mit einem anderen Objekt
kollidieren", schreibt der Verfasser. "Sobald der schlitternde Wagen von
der öligen auf trockene Oberfläche kommt, erfolgt eine erhebliche
Abbremsung, die ausreicht, dass sich das Fahrzeug gleich überschlägt
oder zumindest Steuerungs- und Stabilitätsprobleme erzeugt."
Die Liste von
elf Zielpersonen, die für derartige Anschläge infrage kommen, liefert
"Inspire" gleich mit. Unter "Tot oder lebendig" finden sich einige
Mohammed-Karikaturisten wie Molly Norris oder Kurt Westergaard, aber
auch die Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali, die Journalistin Stephane
Charbonnie der französischen Zeitung "Charlie Hebdo" sowie der
Schriftsteller Salman Rushdie.
Brief im Haus Osama bin Ladens
"Inspire"
richtet sich gezielt an Einzeltäter, die endlich einmal das Schicksal in
die eigene Hände nehmen und Herr über Leben und Tod spielen wollen. Bei
Ruksana Begum etwa wurden bei ihrer Verhaftung im Dezember letzten
Jahres einige Magazinausgaben gefunden. Sie hatte geplant, die Londoner
Börse in die Luft zu jagen. Es ein Traum al-Qaidas, dass es mehr
Menschen wie Begum gäbe, die auf eigene Faust Attentate begehen. Es ist
der Traum von Angst und Schrecken im verhassten Westen, dem Zentrum der
Ungläubigkeit, von dem aus ihrer Meinung nach die Knechtung der Muslime
orchestriert wird.
Das zeigt auch ein Dokument, das die US-Behörden im Haus Osama bin Ladens
nach seiner Ermordung fanden. Es ist ein 17-seitiger Brief, den Junis
al-Mauretani, ein führendes Mitglied des Terrornetzwerks, an Bin Laden
im März 2010 geschrieben hatte. Darin werden Tunnels, Brücken,
Staudämme, Unterwasserpipelines und Internetverbindungskabel als neue
Ziele festgelegt. Es sind sogenannte "soft targets", die als öffentliche
Einrichtungen in Europa und den USA relativ leicht zu zerstören sind.
Al-Qaida-Mitglieder
sollten sich Jobs bei Firmen suchen, mit denen man Zugang zu den Zielen
bekomme. Oder als Fahrer von Öltransporten, mit denen man die Ziele
unschädlich machen könne. Bin Laden mochte offensichtlich den von
al-Mauretani vorgeschlagenen Plan und gab ihm oberste Priorität. Der
Terrorchef instruierte die beiden Al-Qaida-Ableger in Nordafrika und im
Jemen, das Vorhaben zu unterstützen und mit al-Mauretani "aufs Beste zu
kooperieren."
Prozess in Düsseldorf
Der Inhalt des
Briefes wurde bekannt, nachdem das US-Justizministerium das Schreiben an
seine deutschen Amtskollegen weitergeleitet hatte. Die deutsche
Staatsanwaltschaft hatte Informationen über drei mutmaßliche
Al-Qaida-Mitglieder angefordert, deren Prozess gerade in Düsseldorf vor
dem Oberlandesgericht läuft. Unter den Angeklagten ist ein Marokkaner,
der in al-Mauretanis Brief genannt wird. Drei FBI-Beamte sollen vor
Gericht erscheinen, um die Authentizität des Dokuments zu betätigen.
Bisher ist es
noch nicht zur Ausführung des Terrorplans gekommen. Der Briefschreiber
wurde im August 2011 in Quetta verhaftet. Die pakistanischen Behörden
versicherten, al Mauretani sei "von Bin Laden persönlich beauftragt
worden, Ziele von ökonomischer Bedeutung in Europa, den USA und in
Australien anzugreifen." Einige Menschen, die der Chefplaner Bin Ladens
rekrutiert hatte und die in den Stammesgebieten Pakistans trainiert
worden waren, wurden noch vor ihrer Ausreise verhaftet.
Der Angriff auf
Pipelines, Dämme oder Tunnels scheint ein lang gehegter Plan
al-Mauretanis gewesen zu sein. Der 2008 in Pakistan verhaftete Bryant
Neal Vinas, ein Al-Qaida-Mitglied mit US-Pass, erklärte in seiner
Verhandlung, dass er ihm die Bahnlinien von Long Island aufgezeichnet
habe. Al-Mauretani wollte mit Selbstmordattentätern Züge in die Luft
jagen. Dafür bräuchte er Weiße, wie Vinas, die einen westlichen Pass
besitzen.
Man kann davon
ausgehen, dass der Plan des Mauretaniers noch immer in den Köpfen von
al-Qaida präsent ist. Die Frage ist nur, wann und wie sie die
Kapazitäten dazu haben. Die Bereitschaft und Perfidität ist in jedem
Falle vorhanden.
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