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Wie al-Qaida den verhassten Westen treffen will

Wie al-Qaida den verhassten Westen treffen will

Al-Qaida liefert potenziellen Attentätern Pläne, um in westlichen Ländern Autos in Brand zu setzen oder Unfälle zu provozieren. Schon Bin Laden legte "soft targets" wie Brücken als Ziele fest. Von

Ein Mann begutachtet in der malischen Stadt Gao ein Auto, das von Islamisten zerstört wurde. Al-Qaida im Maghreb hat die muslimische Jugend Nordafrikas zum Dschihad gegen die französischen Truppen in Mali aufgerufen. Frankreich unterstützt Malis Regierung im Kampf gegen Islamisten, die einen Teil des Landes besetzt halten
Foto: AFP Ein Mann begutachtet in der malischen Stadt Gao ein Auto, das von Islamisten zerstört wurde. Al-Qaida im Maghreb hat die muslimische Jugend Nordafrikas zum Dschihad gegen die französischen Truppen in Mali aufgerufen

"Bekämpft eure Feinde und die Feinde Gottes! Lasst es nicht zu, dass Säkulare und andere Westler Amok laufen!" Mit dieser Botschaft richtet sich die Organisation al-Qaida im Maghreb (Aqim) an die muslimische Jugend Nordafrikas und fordert sie zum Dschihad gegen die französischen Truppen in Mali auf. Es ist das erste Statement der Terrororganisation nach der Militärintervention Frankreichs.
Anscheinend ist es um Aqim wegen der Bombardierung und des Einsatzes französischer Spezialeinheiten im Norden Malis nicht gut bestellt. Man braucht neue Rekruten, wie das Dokument, das auf einer der einschlägigen Dschihadseiten publiziert wurde, nahelegt: "Söhne von Tunesien, Marokko, Libyen und Mauretanien, greift die Kreuzfahrer an, besiegt ihre Stellvertreter und stärkt damit das islamische Projekt." Es ist eine relativ harmlose Propaganda, mit der Aqim neue Kämpfer zu rekrutieren sucht.
Mit ganz anderen Kalibern arbeitet die Partnerorganisation aus Jemen. In der neuen und mittlerweile zehnten Ausgabe ihres Magazins "Inspire" liefert al-Qaida der arabischen Halbinsel (Aqap) Terroranleitungen, die geschmackloser und zynischer nicht sein könnten. Unter der Überschrift "Gibt es noch sichere Parkplätze?" wird detailliert erläutert, wie man Fahrzeuge in Brand stecken kann. "Wie sicher wird man sich im Westen beim Parken fühlen, wenn bekannt ist, dass jederzeit Feuer ausbrechen kann?"
Obwohl es kaum geschmackloser geht, wird in der Rubrik "Provokation von Autounfällen" noch eins drauf gesetzt. Man solle Straßen mit Schmieröl präparieren. "Ein schlitterndes Auto muss nicht unbedingt mit einem anderen Objekt kollidieren", schreibt der Verfasser. "Sobald der schlitternde Wagen von der öligen auf trockene Oberfläche kommt, erfolgt eine erhebliche Abbremsung, die ausreicht, dass sich das Fahrzeug gleich überschlägt oder zumindest Steuerungs- und Stabilitätsprobleme erzeugt."
Die Liste von elf Zielpersonen, die für derartige Anschläge infrage kommen, liefert "Inspire" gleich mit. Unter "Tot oder lebendig" finden sich einige Mohammed-Karikaturisten wie Molly Norris oder Kurt Westergaard, aber auch die Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali, die Journalistin Stephane Charbonnie der französischen Zeitung "Charlie Hebdo" sowie der Schriftsteller Salman Rushdie.

Brief im Haus Osama bin Ladens

"Inspire" richtet sich gezielt an Einzeltäter, die endlich einmal das Schicksal in die eigene Hände nehmen und Herr über Leben und Tod spielen wollen. Bei Ruksana Begum etwa wurden bei ihrer Verhaftung im Dezember letzten Jahres einige Magazinausgaben gefunden. Sie hatte geplant, die Londoner Börse in die Luft zu jagen. Es ein Traum al-Qaidas, dass es mehr Menschen wie Begum gäbe, die auf eigene Faust Attentate begehen. Es ist der Traum von Angst und Schrecken im verhassten Westen, dem Zentrum der Ungläubigkeit, von dem aus ihrer Meinung nach die Knechtung der Muslime orchestriert wird.
Das zeigt auch ein Dokument, das die US-Behörden im Haus Osama bin Ladens nach seiner Ermordung fanden. Es ist ein 17-seitiger Brief, den Junis al-Mauretani, ein führendes Mitglied des Terrornetzwerks, an Bin Laden im März 2010 geschrieben hatte. Darin werden Tunnels, Brücken, Staudämme, Unterwasserpipelines und Internetverbindungskabel als neue Ziele festgelegt. Es sind sogenannte "soft targets", die als öffentliche Einrichtungen in Europa und den USA relativ leicht zu zerstören sind.
Al-Qaida-Mitglieder sollten sich Jobs bei Firmen suchen, mit denen man Zugang zu den Zielen bekomme. Oder als Fahrer von Öltransporten, mit denen man die Ziele unschädlich machen könne. Bin Laden mochte offensichtlich den von al-Mauretani vorgeschlagenen Plan und gab ihm oberste Priorität. Der Terrorchef instruierte die beiden Al-Qaida-Ableger in Nordafrika und im Jemen, das Vorhaben zu unterstützen und mit al-Mauretani "aufs Beste zu kooperieren."

Prozess in Düsseldorf


Zwei Angeklagte im Düsseldorfer Al-Qaida-Prozess begrüßen sich vor Gericht
Foto: dpa Zwei Angeklagte im Düsseldorfer Al-Qaida-Prozess begrüßen sich vor Gericht
Der Inhalt des Briefes wurde bekannt, nachdem das US-Justizministerium das Schreiben an seine deutschen Amtskollegen weitergeleitet hatte. Die deutsche Staatsanwaltschaft hatte Informationen über drei mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder angefordert, deren Prozess gerade in Düsseldorf vor dem Oberlandesgericht läuft. Unter den Angeklagten ist ein Marokkaner, der in al-Mauretanis Brief genannt wird. Drei FBI-Beamte sollen vor Gericht erscheinen, um die Authentizität des Dokuments zu betätigen.
Bisher ist es noch nicht zur Ausführung des Terrorplans gekommen. Der Briefschreiber wurde im August 2011 in Quetta verhaftet. Die pakistanischen Behörden versicherten, al Mauretani sei "von Bin Laden persönlich beauftragt worden, Ziele von ökonomischer Bedeutung in Europa, den USA und in Australien anzugreifen." Einige Menschen, die der Chefplaner Bin Ladens rekrutiert hatte und die in den Stammesgebieten Pakistans trainiert worden waren, wurden noch vor ihrer Ausreise verhaftet.
Der Angriff auf Pipelines, Dämme oder Tunnels scheint ein lang gehegter Plan al-Mauretanis gewesen zu sein. Der 2008 in Pakistan verhaftete Bryant Neal Vinas, ein Al-Qaida-Mitglied mit US-Pass, erklärte in seiner Verhandlung, dass er ihm die Bahnlinien von Long Island aufgezeichnet habe. Al-Mauretani wollte mit Selbstmordattentätern Züge in die Luft jagen. Dafür bräuchte er Weiße, wie Vinas, die einen westlichen Pass besitzen.
Man kann davon ausgehen, dass der Plan des Mauretaniers noch immer in den Köpfen von al-Qaida präsent ist. Die Frage ist nur, wann und wie sie die Kapazitäten dazu haben. Die Bereitschaft und Perfidität ist in jedem Falle vorhanden.

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