Für die Rebellen gelten sie
als Inkarnation des Bösen. "Sie kennen kein Erbarmen, sie schlachten
Kinder ab und vergewaltigen Frauen", sagt der Rebellenkommandant Abu Ali
in Aleppo. Gerade in der Industriemetropole im Norden des Landes, wo
seit mehr als einem Jahr ein Pattsituation zwischen Opposition und
Regimetruppen an den Nerven zerrt, könnte der Hass auf die iranischen
Helfer des syrischen Diktators nicht größer sein.
"Diese Söldner morden das syrische Volk im Auftrag von Baschar al-Assad.
Es sind widerliche Menschen", speit der Rebell aus, wenn man ihn nach
den iranischen Soldaten fragt, die an der Seite der syrischen
Regimetruppen kämpfen. Die Islamische Republik ist, neben Russland, der
wichtigste Verbündete des Assad-Regimes.
Am Freitag trafen sich der neue iranische Präsident, Hassan Ruhani, und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.
Die Situation in Syrien und die internationale Kontrolle über die
Chemiewaffen des Regimes habe bei dem Treffen "höchste Priorität"
gehabt. Doch was genau die beiden Präsidenten besprachen, weiß niemand.
Vieles Ist geheim an diesem Dreierbündnis. Nicht einmal eindeutige
Belege für die Anwesenheit iranischer Truppen in Syrien gab es bisher.
Doch jetzt gibt es sogar filmische Einblicke in die raue Wirklichkeit
der iranisch-syrischen Waffenbruderschaft.
Iraner in der Nähe von Aleppo
Dieser Tage
tauchten erstmals Videos von iranischen Militärs bei Kämpfen in der
Gegend von Aleppo auf. Das Material, das "Die Welt" in Zusammenarbeit
mit den Experten des Magazins "Zenith – Zeitschrift für den Orient"
auswertete, belegt, dass der Iran tatsächlich seit vielen Monaten
Militärpersonal vom einfachen Soldaten bis zu Befehlshabern auf
syrischem Boden stationiert hat und das der militärische Einfluss des
Iran in Assads Streitkräften noch größer ist, als angenommen.
Auch legen die
Aufnahmen nahe, das die neu strukturierten syrischen Milizen der
Nationalen Verteidigungskräfte (NDF) im Iran ausgebildet wurden. Die NDF
leisteten einen erheblichen Beitrag zu den unerwarteten, jüngsten
Siegen des Regimes. Die Filmaufnahmen machen zudem deutlich, wer
militärisch das Kommando – zumindest stellenweise – übernommen hat.
Hier geben
Iraner syrischen Soldaten Anweisungen, planen Operationen und gehen auf
Patrouille an der Front. "Aber nicht hier auf einem Punkt sitzen
bleiben", ermahnt ein iranischer Offizier den Diensthabenden eines
Außenpostens der syrischen Armee. "Wichtig ist, dass die Männer sich
verteilen."
Rebellen fanden Dokumentarfilm-Material
Die Videos sind
nicht mit einem Handy aufgenommen, wie man es aus dem syrischen
Bürgerkrieg gewohnt ist. Sie wurden beinahe professionell mit einer
Kamera aufgezeichnet. Es scheint, als habe man einen Dokumentarfilm
drehen wollen. "Wir haben das Material in der Nähe von Aleppo bei
Iranern gefunden", erklärt Hussam Sarmini von der Rebellengruppe Liwa
Daud.
"Es war eine
Gruppe von 13 Mann, die an einem Checkpoint getötet wurden." Der
Sprecher der Liwa versichert, man habe noch viel mehr Videomaterial
gefunden, als das bisher veröffentlichte: "Wir haben noch Fotos und
Dokumente, die wir erst ins Arabische übersetzen müssen und dann Schritt
für Schritt veröffentlichen werden."
Der Rebell
Sarmini hatte einen Teil des Materials an den Sender al-Jazeera aus dem
Emirat Katar weitergegeben. Weil der Emir von Katar sunnitisch-radikale
Rebellengruppen unterstützt und als besonderer Gegner des Irans gilt,
wurde der TV-Bericht zunächst mit Skepsis aufgenommen. "Für mich steht
die Echtheit der Aufnahmen außer Zweifel", meint jedoch Roozbeh Kaboly
vom Holländischen Nationalen Fernsehen.
Der Journalist,
der Persisch und Arabisch spricht, ist ein profilierter Fachmann und
hat zusätzliches Bildmaterial erhalten, das al-Jazeera nicht zur
Verfügung stand. "Dokumentarfilme dieser Art werden oft vom Iran
gedreht. Sie bleiben aber unter Verschluss und sind nur für den internen
Gebrauch in der Führungsriege."
Kriegsalltag auf Militärbasis
Die Videos
geben einen Eindruck vom Kriegsalltag auf einer syrischen Militärbasis
unter dem Kommando von iranischen Offizieren. Im Gebäude der Basis
ermahnen Aushänge auf Arabisch die syrischen Soldaten, mit den
Fahrzeugen nicht zu schnell zu fahren. Das sei nötig, wegen des
Fehlverhaltens eines Kameraden – und es wird hervorgehoben, dass der
Betreffende Syrer war.
Wer ab jetzt
das Tempolimit überschreitet und einen Unfall verursacht, dem droht
"Arrest bis auf weitere Befehle", "Der Sold wird für drei Monate
einbehalten" und er muss "Schadenersatz für das beschädigte Auto
leisten". Für die iranischen Soldaten hängen Sicherheitshinweise auf
Persisch aus. "Verboten sind Videoaufnahmen und Fotos mit
Mobiltelefonen". Sie dürfen keine Lebensmittel und Getränke von
Unbekannten annehmen und keine Kommunikation zu Fremden unterhalten.
Eine
Schlüsselrolle im gesamten Material kommt einem Interview mit dem
Kommandeur Ismail Ali Haydari zu. Es klingt wie ein Gespräch unter
Freunden. Unumwunden gibt Haydari zu, dass er seit mehr als einem Jahr
in Syrien sei. "Seit acht Monaten kämpfe ich in verschiedenen
Landesteilen und nun bin ich eben hier in Aleppo."
In weiteren
unveröffentlichten Filmaufnahmen, die der "Welt" vorliegen, ist Haydari
zu sehen, wie er syrische Soldaten an der Front für Operationen
einteilt. "Wir haben viele Leute, die aus verschiedenen Gegenden kommen
und am liebsten zu Hause kämpfen würden. Um sie ruhig zu stellen, muss
man sie beschäftigen und am besten jede Nacht auf Mission schicken",
erklärt der iranische Offizier.
Iranische Militärs geben sich freundlich
Die Kamera
begleitet Haydari auf einer Tour durch Aleppo. Er scheint bekannt und
beliebt zu sein. Er kennt fast alle syrischen Offiziere, winkt ihnen
freundlich zu oder hält auf einen kurzen Plausch an. "Ich kenne viele
aus dem Iran", sagt der iranische Kommandeur.
"Sie wurden in
Teheran ausgebildet, wie viele andere der nationalen Verteidigungskräfte
eben auch." Die oppositionellen Volksmuhadscheddin im Iran hatten im
Juni in einem detaillierten Bericht behauptet, dass der Iran Milizen für
den Einsatz in Syrien trainiere. Nun scheint das bestätigt zu sein.
Haydari
kritisiert den autoritären Stil der Syrischen Armee. Er vergleicht sie
mit dem Militär unter Schah Mohammad Reza Pahlevi, dessen brutale
Herrschaft durch die islamische Revolution 1979 beendet wurde.
Haydari und
seine Kollegen verteilen dagegen Schokolade. "Die Bevölkerung hat Angst
vor den eigenen Truppen. Wir sind anders und behandeln unsere eigenen
Leute auch anders. Wir wollen das vermitteln." Seine eigene Familie
verstehe nicht, warum er in Syrien kämpfe, so Haydari. "Ich habe schon
im Irak gekämpft und das war wichtig. Aber Syrien ist noch viel
wichtiger", sagt er.
Kommandeur im Iran begraben
Der iranische
Kommandant lebt mittlerweile nicht mehr. Er ist auf syrischem Boden
gefallen. Im Iran gab es ein aufwendiges Militärbegräbnis für den
"mutigen Kommandanten", der im Kampf gegen die islamistische Dschabhat
al-Nusra gestorben sei.
Freunde und
Bekannte schrieben Gedichte über den "Märtyrer" und veröffentlichten sie
zu seinen Ehren im Internet. Ums Leben kam auch der Kameramann der
Filmaufnahmen.
Seine letzten
Bilder macht er auf einem Feld in der Sommerhitze Syriens. Schüsse
rattern. Am Ton der Kugeln hört man, wie nah sie vorbei sausen. Zwei
Uniformierte mit Kalaschnikow suchen Deckung. Das Bild bleibt zwischen
abgeschnittenen Strohalmen hängen. Dann wird es plötzlich schwarz.
Bei den Recherchen kooperierte "Die Welt" mit "Zenith – Zeitschrift für den Orient" (www.zenithonline.de)
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