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"Wir hören große Worte, und dann passiert nichts"

In der syrischen Hauptstadt atmen viele Menschen nach der Verschiebung des Militärschlags auf. Doch auch die Armee des Regimes nutzt die Zeit. Die Enttäuschung der Opposition ist groß. Von
Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee verfolgt mit seiner Familie in Ghuta die Syrien-Erklärung von US-Präsident Barack Obama
Foto: REUTERS Ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee verfolgt mit seiner Familie in Ghuta die Syrien-Erklärung von US-Präsident Barack Obama 
"Prima, wir haben eine Schonfrist bekommen", sagt Mohammed, der ein Hotel in der Nähe der Altstadt von Damaskus besitzt. "Ich dachte, die USA werden sofort losschlagen, nachdem die UN-Inspektoren am Samstag in den Libanon ausreisten." Der Hotelier ist erleichtert. "Eine Woche scheint nicht viel Zeit zu sein, aber bis zum 9. September kann viel passieren."
An diesem Tag will der US-Kongress über einen Militäreinsatz gegen Syrien entscheiden. "Wir sind in jedem Falle vorbereitet", meint Mohammed. Er habe wie alle Bewohner der syrischen Hauptstadt Wasser, Brot und ganz wichtig auch Lebensmittel in Dosen gehortet. Da die Elektrizität ständig ausfällt, verderbe das Essen im Kühlschrank. "Wenn die USA angreifen, wird sich die Situation mit Sicherheit verschlechtern."

"Wir haben uns daran gewöhnt"

Der Militäreinsatz ist jedoch erst einmal vertagt. Die syrischen Rebellen sind enttäuscht, obwohl ihre Erwartungshaltungen gegenüber den USA und dem Westen generell minimal sind. "Wir sind daran gewöhnt", sagt Bataillonsführer Mahmoud während seines Kriegsurlaubs in der türkischen
Syrien-Entscheidung. Wie oft seien den Rebellen große Waffenlieferungen versprochen worden, erinnert der Kommandeur, der normalerweise in Aleppo sowie den Bergen von Dschebel al-Zawia kämpft. "Am Ende waren es einige wenige Gewehre und Munition. Immer gerade so viel, um weiterzukämpfen, aber nie genug, um zu gewinnen."
Auf den Punkt bringt es Muhammad Scheich, der in Rastan einen Rebellentrupp anführt. "Sie spielen einfach mit uns", stellte der desertierte Leutnant der Syrischen Armee verärgert fest. In al-Ghuta, der von einem Chemieangriff mutmaßlich betroffenen Region, ist die Stimmungslage wenig anders. "Es fängt doch schon mit dieser verschrobenen Haltung an, keinen Regimewechsel zu wollen", sagt Abu Younis. Er ist der Leiter eines Feldlazaretts, in dem Hunderte von Opfern behandelt wurden. Letztendlich käme das nicht überraschend. "So ist eben Politik", erklärt der Mediziner. "Wir Menschen interessieren niemand."

Das Regime verlegt sein Militär

Der Sprecher des Militärrats der Freien Syrischen Armee (FSA) in Damaskus behauptete, die Verzögerung der ausländischen Intervention bringe dem Regime von Präsident Baschar al-Assad wichtige Vorteile. "Waffen und Soldaten werden in Schulen untergebracht", sagte Musab Abu Katada. "Komplette Geheimdienstabteilungen sind in die Wohnheime von Universitäten verlegt worden."
Die Syrische Armee scheint undercover zu gehen. Das Hauptquartier der Armeeführung am Umayyaden-Platz ist geräumt, ebenso die Kommandantur der Luftwaffe. Das Gelände der Sicherheitsdienste in Kafr Suseh ist verwaist. "Man kann eine Stecknadel fallen hören", stellte ein Bewohner des Stadtteils fest.
An der Mittelmeerküste in Latakia liegen Schiffe der Kriegsmarine neben zivilen Handelsschiffen, um eine Identifizierung aus der Luft zu vermeiden. Alle wichtigen Kommandoposten wurden in Schulen oder unterirdischen Bunkern eingerichtet. Ob all diese Vorsichtsmaßnahmen greifen, wird sich erst im Ernstfall herausstellen. Sie könnten zumindest Schäden minimieren.

Der Präsidentenpalast würde nicht ausgelassen

Bisher ist noch völlig unklar, welche Ziele die USA im Visier haben. Es könnte gut möglich sein, dass sie den Militärflughafen von Mezzeh bombardieren. Von dort wurden angeblich die Chemiewaffen am 21. August abgeschossen. Die Einrichtungen der 4. Division kommen ebenfalls infrage. Die Elitetruppen sollen den Chemieangriff lanciert haben.
Den Präsidentenpalast von Baschar al-Assad wird man mit Sicherheit nicht auslassen. Ein zumindest teilweise zerstörter Amtssitz Assads wäre ein Signal mit großer Symbolkraft. Ebenso dürften die Zentralen des militärischen wie zivilen Geheimdienstes als Ziele nicht fehlen.
Das Regime in Damaskus gibt sich weiter unbeirrt. In der staatlichen Tageszeitung "al-Thawra" wurde die Entscheidung von Barack Obama, den Kongress um eine Abstimmung zu bitten, als Triumph gefeiert. "Ob der Kongress nun grünes oder rotes Licht gibt, der US-Präsident hat damit einen historischen amerikanischen Rückzug gestartet."
In der Tat sei dies etwas Besonderes, sagt Mohammed, der Hotelbesitzer. "Die Amerikaner fackeln doch normalerweise nicht lange und schlagen zu." Aber seiner Meinung nach solle sich das Regime nicht zu früh freuen. "Das dicke Ende kann noch kommen."

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