Regimeanhänger feiern schon im Internet: Assads Soldaten
nehmen immer mehr Gebiete ein. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu
sein, bis Knotenpunkte wie Aleppo und Jabrud zurückerobert sind. Von
Alfred Hackensberger
Staubwolken steigen
auf, wenn Panzer und Artilleriegeschütze feuern. Man sieht Raketen, die
in Häuser einschlagen, unzählige Bombenexplosionen und immer wieder
Hisbollah-Soldaten: Sie laufen durchs Gelände, robben über den Boden,
aber vor allen Dingen schießen sie aus allen Lagen. Es sind Bilder aus
dem neuen Musikvideo des libanesischen Sängers Ali Barakat – er macht
keinen Hehl aus seiner Begeisterung für die radikal-schiitische Miliz.
"Sieg in
Jabrud", nennt der 33-Jährige seine Hisbollah-Hymne. Jabrud ist eine
syrische Stadt, etwa 80 Kilometer nördlich von Damaskus gelegen. Dort
kämpft die Hisbollah mit der syrischen Armee gegen die Rebellen, die nun
seit beinahe drei Jahren schon vergeblich versuchen, das Regime von
Präsident Baschar al-Assad zu stürzen.
Jabrud ist von
entscheidender strategischer Bedeutung. Es liegt im Grenzgebiet zum
Libanon und an der Autobahn, die Damaskus über Homs mit Tartus und
Lattakia an der Mittelmeerküste verbindet. Die Stadt ist der letzte
Stützpunkt der Rebellen in der Kalamun-Region, durch die der Nachschub
an Waffen und Kämpfern aus dem Libanon nach Syrien geschmuggelt wird.
Seit drei Wochen
läuft die gemeinsame Offensive von Armee und Hisbollah. Von den
ursprünglich 30.000 Einwohnern Jabruds ist der überwiegende Teil
geflüchtet. "Die Stadt ist Kriegsgebiet, und es gibt keinen Grund für
Waffenstillstandsverhandlungen oder einen taktischen Rückzug", sagte ein
Kommandant der Al-Qaida-Gruppe Dschabhat al-Nusra. Sie will Jabrud mit
den anderen vorwiegend islamistischen Brigaden unbedingt halten.
Nur eine Frage der Zeit
Wie lange die
Rebellen der Offensive noch standhalten können, weiß niemand. Aber die
Eroberung von Jabrud durch Regierungstruppen und Hisbollah ist nur eine
Frage der Zeit. Umliegende Städte und Dörfer wie al-Nabk, al-Sahel oder
die Rima-Farmen sind bereits in den Händen des Regimes.
Jabrud wird von
den angrenzenden Hügeln beschossen, MiG-Kampfjets fliegen täglich
Angriffe, und Hubschrauber werfen die gefürchteten Fassbomben ab. "Teile
der Stadt dürften untertunnelt sein", meint Eliot Higgins, ein
britischer Waffenexperte und Beobachter des syrischen Bürgerkriegs. "Ob
das aber etwas bringt, ist eine andere Frage." Hisbollah und Armee
benutzen sogenannte Volcanos. Das sind in Eigenproduktion hergestellte
Raketen. "Sie sollen die gleiche verheerende Sprengkraft wie
Scud-Raketen haben", erläutert Higgins.
Die Rebellen
haben Jabrud noch lange nicht aufgegeben. Sie rüsten sich für den
Endkampf um die für sie so bedeutungsvolle Stadt. Neue Videos im
Internet zeigen Mitglieder der Märtyrer-Mheen-Brigade in den
Kalamun-Bergen, wie sie insgesamt 13 neue chinesische
Panzerabwehrraketen aus Transportkisten auspacken. Es sind lenkbare
Raketen vom Typ HJ-8E, die als akkurat gelten und Ziele in einer
Entfernung zwischen 100 und 4000 Metern treffen können.
Ein geübter
Operateur kann in einer Minute zwei bis drei dieser Raketen abfeuern. Es
ist ein ideales Abwehrmittel für eine Bodenoffensive, die mit Panzern
durchgeführt wird.
Neue Waffenlieferungen für Rebellen
Diese
chinesischen Raketen könnten das erste Indiz für neue Waffenlieferungen
an die syrischen Rebellen sein. Im Januar hatte Ahmad al-Dscharba, der
Führer der syrischen Opposition,
militärische Hilfe angekündigt und versprochen, dass darunter auch
"kriegsentscheidende Waffen" seien. Es hieß, diese neuen Waffen würden
bereits in Jordanien lagern.
Das
haschemitische Königreich war schon einmal Zwischenlager für eine große
Lieferung. Anfang 2013 sollen 3000 Tonnen an Waffen aus Kroatien über
Jordanien nach Syrien gelangt sein. Saudi-Arabien hatte damals die
Lieferung nach dem Plazet der USA und mit britischer Hilfe gekauft und
organisiert. Nur moderate Rebellengruppen sollten damals mit diesen
Waffen unterstützt werden. Aber nach wenigen Wochen kämpften radikale Islamisten damit, darunter sogar die auf die Terrorliste Washingtons gesetzte Gruppe Dschabhat al-Nusra.
Saudi-Arabien
soll die neuen Waffen nicht mehr in Kroatien, sondern in Pakistan oder
auch im Sudan eingekauft haben. Wie die Nachrichtenagentur AFP meldete,
seien darunter auch sogenannte Manpads, die in Pakistan produziert
werden. Das sind Luftabwehrraketen, die Hubschrauber und Kampfflugzeuge
vom Himmel holen können, aber auch Passagierflugzeuge.
Mit diesen
Manpads würde man sich auf ein gefährliches Spiel einlassen. Sie sind
eine ideale Waffe für Terroristen. Und die Annahme, sie würden in den
Händen der ausgewählten moderaten Gruppen bleiben, hat sich schon einmal
als falsch erwiesen.
Waffen geraten in falsche Hände
Erst vor
wenigen Tagen veröffentlichte der ultrakonservative und für seine
Brutalität bekannte Islamische Staat im Irak und in der Levante (Isil)
Videos seiner Operationen im Nachbarstaat Irak. Dort kämpft Isil in der
Provinz Anbar gegen die irakische Armee. In den Videos sind zum ersten
Mal Waffen zu sehen, wie sie im letzten Jahr aus Kroatien nach Syrien
geliefert wurden. Es ist wahnwitzig: Die irakische Armee wird
ausgerechnet von Isil, den Radikalsten aller Rebellen, scheinbar mit
denselben Waffen bekämpft, die Saudi-Arabien, die USA und Großbritannien
an die syrischen Rebellen lieferten.
Isil hat die
Waffen entweder von rivalisierenden Milizen erbeutet oder einfach
gekauft. Das Gleiche könnte mit den Manpads passieren, die weitaus
gefährlicher sind als Panzerabwehrraketen oder Granatwerfer.
"Nur neue Waffen könnten helfen"
In Syrien sind
die Regimetruppen nicht nur in Jabrud auf dem Vormarsch. In der Provinz
Homs wurde Zara, eine Grenzstadt zum Libanon, eingenommen. In der Nähe
von Hama steht Morek unmittelbar vor der Rückeroberung. Der Ort liegt an
der Autobahn, die nach Idlib und Aleppo führt, und es wäre ein weiterer
Meilenstein zur Nachschubsicherung der syrischen Armee.
In Aleppo
fehlen dem Regime noch 19 Kilometer, um die Blockade der
Industriemetropole im Norden des Landes abzuschließen. Die
Regierungstruppen nutzten die Gelegenheit, als die Rebellen
untereinander kämpften. Im Januar verließ Isil einige Frontlinien,
nachdem er von rivalisierenden Milizen angegriffen und aus zahlreichen
seiner Stützpunkte vertrieben worden war.
Die Rebellen
schicken derzeit Verstärkung nach Scheich Nadschar, dem Industriegebiet
von Aleppo. "Man kann das Regime nicht mehr aufhalten", glaubt Abu
Mohammed, ein Kämpfer aus einer Brigade der Freien Syrischen Armee (FSA)
aus Aleppo. "Jeden Tag werfen Hubschrauber mindestens 40 Fassbomben ab,
dazu gibt es Angriffe von MiG-Flugzeugen und Artilleriebeschuss." Die
meisten Bewohner seien bereits aus der Stadt geflohen. Man würde sich
schon auf eine Blockade einstellen.
"Nur neue
Waffen könnten helfen", sagt Abu Mohammed bestimmt. "Wenn man
Hubschrauber und Flugzeuge abschießen könnte, würde sich das Blatt
wenden." Aber der Westen müsse sich beeilen, fügt der junge Mann an.
Sonst sei es zu spät. Große Hoffnungen macht sich Abu Mohammed
allerdings nicht mehr. So oft schon sei so viel versprochen worden, und
nichts davon habe sich bewahrheitet. "Sehen Sie, zur Zeit haben wir
Probleme, Munition zu kaufen. Isil hat im Laufe des vergangenen Jahres
den Schwarzmarkt leergekauft und sitzt buchstäblich auf einem Berg von
Munition und Waffen."
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