Ein Dschihadist wie aus dem Bilderbuch
"Ich habe meine Bestimmung gefunden", sagt Abu Muhadschid.
Er hat Deutschland verlassen, weil man dort angeblich als Muslim nicht
richtig leben kann. Und ging in Syrien zur meistgefürchteten Miliz. Von
Alfred Hackensberger
Er hat eine schwarze
Gebetsmütze auf dem Kopf, ist auch sonst in Schwarz gekleidet, mit einem
zotteligen Bart, ganz wie einst Prophet Mohammed in den Krieg gezogen
sein soll. Eine Kalaschnikow und Munitionsweste mit Reservemagazinen
dürfen da natürlich nicht fehlen. Abu Mudschahid al-Muhadschir al-Almani
macht den Eindruck eines Dschihadisten aus dem Bilderbuch.
Genau das will
der junge Mann aus Deutschland auch sein, der sich in einem neuen Video
im Internet präsentiert und für den Heiligen Krieg in Syrien Werbung
macht. "Ich rate allen Muslimen, gerade den Brüdern in Deutschland sich
dem Islamischen Staat im Irak und in der Levante (Isil) anzuschließen", erzählt er mit einem Lächeln im Gesicht.
"Gott sei Dank"
habe er Abu Bakr al-Bagdadi den Treueeid geschworen. Das ist der Emir
der Isil, bekannt für seine Brutalität und einer der meistgesuchten
Männer der Welt. Das irakische Innenministerium hat vor wenigen Tagen
ein neues Fahndungsfoto von al-Bagdadi veröffentlicht. Seine Gruppe ist
für zahlreiche Autobomben und Selbstmordattentate im Irak verantwortlich.
In der Provinz
Anbar kämpfen Armee und Isil seit Monaten in den Städten von Ramadi und
Falludscha. In Syrien hat Isil ebenfalls blutige Spuren hinterlassen.
Die Gruppe verhaftete, folterte und exekutierte Hunderte ihrer
Gefangenen. "Sie ließen die Leichen der Erschossenen einfach auf der
Straße liegen", berichteten Bewohner der "Welt" in der Nähe von Addana,
einer Stadt im Norden Syriens, in der Isil einen großen Stützpunkt
hatte.
300 Deutsche in Syrien
Für den
Konvertiten aus Deutschland ist das alles kein Problem. Im Gegenteil, er
scheint seine Erfüllung, bei Isil zu arbeiten, und den wahren Islam
gefunden zu haben. Wie die meisten aller Islamisten, die aus Deutschland
nach Syrien gegangen sind.
Laut aktuellem
Bericht des Verfassungsschutzes sollen insgesamt rund 300 junge Männer
aus der Bundesrepublik ausgereist sein, um im syrischen Bürgerkrieg zu
kämpfen. Mehr als 20 sollen bereits bei Kampfhandlungen getötet worden
sein. Darunter war der 18-jährige David G. aus Bayern, dessen Tod im
Januar gemeldet wurde.
Von al-Qaida zu Isil
"Ich habe meine
Bestimmung gefunden", meint Abu Muhadschid in seinem neuen Video. Er
hatte Deutschland verlassen, weil man ihn dort angeblich als Muslim
nicht richtig leben ließ. Seine nächste Station war Ägypten – nach dem
Vorbild anderer deutscher Islamisten. "Aber dort gab es auch keinen
wahren Islam", behauptet der selbst erklärte Gotteskrieger.
In Syrien
schloss er sich dann Dschabat al-Nusra an, das neben Isil der zweite
Ableger von al-Qaida in Syrien ist. "Al-Qaida klang gut", erklärt Abu
Muhadschid, "aber die machen dort keine guten Dinge, die mit dem Islam
zu vereinbaren sind." Also "öffnete ihm Allah die Tür", und er wurde
Mitglied bei der radikalsten und gefürchtetsten Miliz.
Seit Januar
wird Isil von fast allen anderen Rebellengruppen bekämpft und wurde aus
vielen ihrer Stützpunkte vertrieben. "Azaz, auf dem rechten Weg Allahs"
kann man im Video hinter Abu Muhadschid an der Wand lesen. Die Stadt
Azaz war, neben Rakka und al-Bab, eine der letzten drei Bastionen von
Isil. Am Freitagmorgen sollen die Extremisten aus diesem Ort abgezogen
sein. Azaz ist bedeutsam, da die Stadt nahe dem Grenzübergang von Bab
al-Salama liegt, der in die Türkei führt.
Der Wunsch zu sterben
"Ungläubige"
nennt Abu Muhadschid die Rebellen, die Isil bekämpfen. Sie würden
gemeinsame Sache mit den "Kreuzzüglern" aus dem Westen machen. "Das weiß
doch jeder, und das geben sie auch zu", meint der deutsche Islamist und
fügt eines seiner vielen "Hamdulliha" (Gott sei Dank) hinzu.
Isil hat diese
Woche von der rivalisierenden Dschabat al-Nursa ein Ultimatum erhalten.
Innerhalb von fünf Tagen müssen sich die Hardliner zu Verhandlungen
bereit erklären.
Das Video von
Abu Muhadschid ist kein Einzelfall. In den letzten beiden Monaten gab es
eine ganz Reihe von deutschen Isil-Mitgliedern, die Werbung für den
heiligen Krieg machten. Im Dezember forderte ein maskierter, blauäugiger
Deutscher im Internet "alle Brüder und Schwestern" auf, doch angesichts
des Leidens im Winter möglichst viel für den Dschihad zu spenden.
Am besten sei
es allerdings, wenn man aktiv am Dschihad teilnehme. Im gleichen Monat
rief ein Abu Osama alle deutschen Muslime auf, nach Syrien zu ziehen und
sich seinem Kampf für einen islamischen Staat anzuschließen.
Ein Abu Zubayr
al-Almani berichtete vom Leben im Dschihad, von der Gelassenheit vor
einem bevorstehenden Einsatz, dem Wunsch zu sterben und ins Paradies
einzugehen. Im Februar richtet sich Abu Zubayr noch einmal in einem
Video an die Rapper mit islamischen Wurzeln in der Bundesrepublik. Sie
würden nur vorgeben, Muslime zu sein, und es wäre an der Zeit, dass sie
sich auf die wahre Religion besinnen.
Gewalt wird verharmlost
Ein bekannter Sänger hat das bereits getan: Deso Dogg,
der jetzt Abu Talha Almani heißt. Der Ex-Rapper, von dem man dachte, er
sei im Bürgerkrieg getötet worden, lieferte gleich mehrere Videos in
den beiden letzten Monaten. Der Heilige Krieger wurde als Altruist bei
Hilfslieferungen für Flüchtlinge gezeigt. Er gab ein großes Interview
über seine spirituelle Reise in den Dschihad in der Fremde.
Im Januar
erschien er an der Seite des Al-Qaida-Scheichs Abu Sufyan As-Sulami
Turki Al-Binali. Der Geistliche aus Bahrain behauptete allen Ernstes,
Alewiten, eine Sekte des schiitischen Islams, zu der auch der syrische
Präsident Baschar al-Assad gehört, seien Ungläubige. Man müsse sie alle
töten. Nur Kinder, die noch keine Schamhaare hätten, könnte man als
Sklaven nehmen und sie zum wahren Islam bekehren. Kein Wunder, dass es
ein Massaker gab, als Isil und Jabhat al-Nusra alewitische Dörfer in der
Nähe der Hafenstadt Lattakia einnahmen.
Keine andere Wahl
Am Ende seiner
Videoansprache betont Abu Muhadschid, wie glücklich er sei, dass er kein
Recht mehr habe, in Deutschland zu leben. Bei seiner Rückkehr würde man
ihn als Mitglied einer Terrororganisation verhaftet. "Was will man noch
in Deutschland", meint der Islamist. "Hier in Syrien haben wir die
Scharia, das islamische Recht, und leben unter Brüdern." Etwas Besseres
gebe es nicht.
Gleichzeitig
ermahnte er die Gesinnungsgenossen zu Hause und erinnerte sie an das
jüngste Gericht: "Was könnt ihr dann sagen, warum ihr zu Hause geblieben
seid und nichts getan habt?" Alle sollten nicht vergessen, die
Hidschra, zu der einst Prophet Mohammed auszog, sei Pflicht eines jeden
Muslims. Dazu gehöre auch der Dschihad. Man müsse sich keine Sorgen
machen, Allah würde sich schon um einen sorgen.
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