Ein schwer beladener Öltanker wird im Mittelmeer von
US Navy Seals aufgebracht und zurück nach Libyen eskortiert. Dahinter
steckt ein Deal, der einem Geschäftsmann das Leben kosten könnte.
Von
Alfred Hackensberger
Sie kamen in einem
privaten Learjet und charterten unmittelbar nach der Landung ein Schiff.
Der senegalesische und die zwei israelischen Geschäftsleute verloren
keine Zeit, um die "Morning Glory" zu erreichen, die vor der Küste
Zyperns kreuzte. Ein Tanker, der 234.000 Barrel Erdöl in einem Wert von 21,8 Millionen Euro geladen hatte.
Was auf dem Schiff im Mittelmeer verhandelt wurde, ist nicht bekannt. Aber ein Geschäft mit dem Erdöl kam nicht zustande.
Der Tanker wurde
von einem Team der US-Spezialeinheit Navy Seals gekapert und vom
Kriegsschiff "USS Stout" zurück nach Libyen eskortiert, wo es am Samstag
den Behörden übergeben wurde. Dort war die "Morning Glory" von Rebellen
gegen den Willen der Zentralregierung mit ihrer teuren Fracht beladen
worden.
Die
Geschäftsmänner, von denen zwei diplomatische Pässe besaßen, wurden auf
Zypern kurzzeitig von der Polizei verhaftet und konnten aber wenig
später wieder ihren Learjet besteigen. Sie flogen unverrichteter Dinge
nach Tel Aviv zurück.
Geld, Macht und Einfluss
Was sich wie das
Drehbuch eines Hollywood-Thrillers liest, ist nichts anderes als ein
Bestandteil des internationalen Business um Erdöl, eine der lukrativsten
Ressourcen unserer Erde. Dabei geht es um Geld, Macht und Einfluss –
die klassischen Ingredienzen, die bis zum Krieg führen können.
In Libyen ist
Erdöl die einzige lukrative Einnahmequelle des Staates. Das
nordafrikanische Land ist nach dem Tod von Muammar Gaddafi im Oktober
2011 noch lange nicht zur Ruhe gekommen.
Bombenanschläge,
Ermordungen und bewaffnete Konfrontationen sind an der Tagesordnung.
Meist sind islamistische Terrororganisationen verantwortlich, die sich
in Libyen festgesetzt haben.
Hinter dem
Versuch, Öl zu exportieren, steckt die föderale Unabhängigkeitsbewegung
Cyrenaica. Sie will mit Gewalt einen größeren Anteil an den Einnahmen
aus der Erdölförderung erzwingen.
Seit Sommer 2013
kontrollieren Rebelleneinheiten unter der Führung von Ibrahim Jadhran
die Exporthäfen von Es Sider und Ras Lanuf.
Dem Staat geht das Geld aus
"Durch die
Besetzung und den Stopp der Ausfuhr hat Libyen viele Milliarden Euro an
Verlusten gemacht", erklärte ein Manager der nationalen Ölfirma aus der
Hauptstadt Tripolis, der unerkannt bleiben will. "Die Förderung steht
größtenteils still, und dem Staat geht langsam, aber sicher das Geld
aus."
Jadhran war als
Milizenchef im Kampf gegen Muammar Gaddafi bekannt geworden. Heute
präsentiert er sich als Führungsfigur der Cyrenaica. Sie will nicht nur
Autonomie, sondern am besten gleich die Abspaltung vom Rest von Libyen.
Das Gebiet
Cyrenaica geht auf den gleichnamigen Verwaltungsbezirk zurück, den die
Italiener während ihre Besetzung (1927-1943) im Osten des Landes entlang
der Mittelmeerküste eingerichtet hatten. Sowohl die Briten (1943-1951)
als auch das Königreich Libyen (1951-1963) hielten an dieser Einteilung
fest.
Jadhran wirft
der Zentralregierung in Tripolis Korruption und die grobe
Vernachlässigung der Rechte des Ostens vor. Im November letzten Jahres
ernannte er Abd-Rabbo al-Barassi zum Premierminister des
"Cyrenaica-Politbüros", gründete eine eigene Zentralbank und eine
Erdölgesellschaft.
Auslaufen konnte nicht verhindert werden
Bisherige
Versuche, das schwarze Gold aus libyschem Boden zu exportieren, waren
fehlgeschlagen. Mehrere Schiffe hatten vor Es Sider gekreuzt, waren aber
von libyschen Marinebooten erfolgreich daran gehindert worden,
einzulaufen.
Die "Morning
Glory" war der erste große Tanker, dem es seit Juli 2013 gelang, Erdöl
zu laden. Die Regierung in Tripolis erklärte das für illegal und drohte,
das Schiff zu bombardieren, sollte es versuchen, mit der wertvollen
Fracht auszulaufen.
Statt
Flugzeugen setzte man jedoch auf die Marine. Sie konnte das Auslaufen
der "Morning Glory" aber nicht verhindern. Die kleinen bewaffneten Boote
mussten wegen schlechten Wetters und zu hohen Seegangs in den Hafen
zurückkehren.
Alle libyschen
Militärschiffe, die den Tanker hätten stoppen können, waren bei den
Luftangriffen der Nato im Bürgerkrieg zerstört worden. Die "Morning
Glory" entkam in internationale Gewässer.
Als Folge wurde Premierminister Ali Zeidan vom libyschen Parlament abgewählt und mit einem Reiseverbot belegt. Zeidan, der um sein Leben fürchtete, flüchtete mit einem Privatjet zuerst nach Malta und dann nach Deutschland.
Der ehemalige
Premierminister hält seine Absetzung für einen Komplott der
Muslimbruderschaft, die in der libyschen Politik eine zunehmend starke
Rolle spielt.
Nordkorea dementiert
Die "Morning
Glory" fuhr unter der Flagge Nordkoreas. Viele glaubten, das aus Libyen
gestohlene Öl sei für die stalinistische Diktatur in Asien bestimmt.
Aber Nordkorea
dementierte und zog die Flaggenlizenz zurück. "Wir haben den Kapitän
mehrfach aufgefordert, kein Öl zu laden und auch den libyschen Hafen zu
verlassen", hieß es in einer offiziellen Presseerklärung aus Pjöngjang.
Allerdings
hatte der Kapitän, Mirza Noman Baig, keine große Wahl. Drei bewaffnete
Rebellen der Cyrenaica-Bewegung hatten sein Schiff gekapert und
bestimmten auf der Brücke, was zu tun sei.
Das Unternehmen
"Morning Glory" scheint von langer Hand geplant gewesen zu sein.
Bereits im November wurde der aus Pakistan stammende Kapitän für 6500
Euro im Monat angeheuert. Die in Dubai ansässige Saudi-Shipping-Firma
stellte den Vertrag aus. Sie gehört zur ZAD-Gruppe, die sich als "Global
Player" in Sachen Öl und Petroleum versteht und fünf Büros mit
insgesamt 450 Angestellten im Nahen Osten und in Afrika unterhält.
Den Befehl,
nach Libyen zu fahren, habe Kapitän Baig direkt von Saud al-Anazi
erhalten, dem Chef der ZAD-Gruppe. Dieser leugnet jedoch eine
Beteiligung am Versuch, das Öl der Rebellen zu verkaufen. Er gibt auch
keine Informationen über den Eigentümer der "Morning Glory" preis. Die
hieß vor einem Monat noch "Gulf Glory" und wurde vom
Fal-Shipping-Unternehmen in den Vereinigten Emiraten verwaltet. Bis zum
27. Februar war der Tanker dort versichert.
Der illegale Export wiegt schon schwer genug
Danach
wechselten der Eigentümer und der Flaggenstatus. Angeblich soll es einen
Käufer aus Libyen gegeben haben, der von Nordkorea eine Lizenz für
sechs Monate erhielt.
Eine
nordkoreanische Flagge wird gewöhnlich benutzt, um die
Eigentumsverhältnisse eines Schiffes zu verschleiern. Kapitän Baig ging
im November in Eritrea an Bord der "Morning Glory", die später den
Suezkanal passierte.
Auf ihrer Reise
nach Libyen wurde das automatische Identifikationssystem (AIS)
abgeschaltet, das normalerweise Signale aussendet und mit dem man den
Seeweg des Tankers hätte verfolgen können. Die letzte bekannte
Positionsmeldung gab es am 1. März. Sieben Tage später dockte das Schiff
im libyschen Hafen von Es Sider an.
Am Samstag
befand sich die "Morning Glory" in Begleitung des Zerstörers "USS Stout"
auf dem Rückweg nach Libyen, wo sie am Nachmittag ankam. Dort werden
den Kapitän und auch die anderen 20 Besatzungsmitglieder unangenehme
Fragen erwarten. Die drei bewaffneten Libyer, die die "Morning Glory"
kaperten und vom Team der Navy Seals überwältigt wurden, sollen den
Behörden übergeben werden.
Handel mit Israel könnte Todesurteil bedeuten
Sollte sich
herausstellen, dass der Eigentümer des Tankers tatsächlich aus Libyen
stammt, wäre es ein Skandal im doppelten Sinne. Der illegale Export von
Erdöl wiegt allein schon schwer genug.
Was aber mit
Sicherheit als noch größerer Affront angesehen wird, ist der versuchte
Verkauf nationaler Ressourcen an Geschäftsleute aus Israel. Im Klima des
konservativen und auch radikalen Islamismus könnte das das Todesurteil
für einen libyschen Eigentümer der "Morning Glory" bedeuten.
Es wäre kein
Wunder. In Libyen werden Polizisten und Militärs fast täglich mit "dem
Tode bestraft", weil sie staatliche Funktionen übernehmen – und die
werden als Widerspruch zum islamischen Recht, der Scharia, aufgefasst.
Was droht dann
erst demjenigen, der mit Israel, dem für Islamisten Hauptübel im Nahen
Osten und Erzfeind des gesamten Islams, gemeinsame Sache macht?
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