Unterwegs mit französischen Fremdenlegionären in Mali: Die Soldaten sind
siegessicher, gut ausgerüstet, erfahren. Aber ihre Gegner kämpfen mit
dem Fanatismus selbst ernannter Gotteskrieger. Von Alfred Hackensberger
Zwei Mörser sind auf
den Niger ausgerichtet, auf dem ein Fischer in seinem schmalen Holzboot
beschaulich vorbeirudert. Am Ufer des bedeutendsten Flusses Westafrikas,
der Lebensader Malis, ist ein Posten der Fremdenlegion stationiert.
Einer von vielen der französischen Armee, die in Markala die strategisch
wichtige Stahlbrücke über den gut 500 Meter breiten Strom sichern
sollen.
Von hier führt
die Verbindungsstraße in die 400 Kilometer entfernte malische Hauptstadt
Bamako im Süden des Landes. 60 Kilometer weiter nördlich beginnt das
Gebiet der islamistischen Rebellen von Ansar-al-Din, der Bewegung für
Einheit und Dschihad (Mujao) sowie al-Qaida im Maghreb (Aqim).
Es ist ein
Gebiet ohne jede staatliche Autorität und reicht bis an die 150
Kilometer entfernte Grenze Mauretaniens. Niemandsland, rechtsfreie Zone,
eine ideale Basis für die islamistischen Rebellen, umliegende Dörfer
und Kleinstädte zu terrorisieren.
Fanatiker sind bereit, für ihre Sache zu sterben
Acht
Fremdenlegionäre liegen auf ihren Feldpritschen in Biwakzelten bei 30
Grad im Schatten. Als der Wachposten Schritte hört, die sich dem Lager
nähern, springt er auf, das Gewehr im Anschlag. Aber es ist kein Feind,
nur ein Reporter. Die jungen Männer sind freundlicher, als man es von
Soldaten der berühmt-berüchtigten Fremdenlegion erwarten würde.
"Wir sind hier
und warten auf Befehle", sagt einer. "Vor den Islamisten haben wir keine
Angst", erklärt ein anderer mit muskelstrotzenden Oberarmen, der die
französische Côte d'Azur seine Heimat nennt. Die Soldaten wissen, dass
sie gegen religiöse Fanatiker kämpfen, die jederzeit bereit sind, für
ihre Sache zu sterben. "Aber über so etwas denken wir nicht nach. Wir
machen wie immer unsere Arbeit."
Diese Islamisten
"sollen nur kommen, sie sind herzlich willkommen", ruft ein Dritter,
der auch schon in Afghanistan gekämpft hat. "Wir werden sie töten." Es
sind Profis des Krieges, besser ausgerüstet, besser trainiert und besser
im Umgang mit ihren Waffen als ihre Gegner. Sie wissen das und scheinen
nichts und niemanden zu fürchten.
Schnelles Handeln war gefragt
Frankreich hat
in Mali schnell und kraftvoll militärisch interveniert, als die
Islamisten ihr Herrschaftsgebiet ausweiten wollten. Bisher hatten sie
sich auf den Norden Malis beschränkt, ein Gebiet doppelt so groß wie
Deutschland. Aber dann überfielen sie überraschend die Stadt Konna in
Zentralmali.
Das einzige
Hindernis auf ihrem Durchmarsch nach Bamako bildete die Militärgarnison
mit dem Flughafen der malischen Armee in Sévaré. Die Islamisten hätten
die schwache malische Armee überrannt. Schnelles Handeln war gefragt, um
zu verhindern, dass das ganze Land in die Hände der Islamisten fällt.
Paris handelte.
"Der Krieg wird eine lange Zeit dauern"
Die
französischen Fremdenlegionäre wurden von ihrer Basis im Tschad nach
Mali verlegt. Doch ganz so simpel, wie die Soldaten denken, scheint es
nicht zu sein, den Feind zu besiegen. "Der Krieg wird eine lange Zeit
dauern", sagt Oberst Frédéric auf der Militärbasis der französischen
Armee, die in einer Kaserne des malischen Militärs in Markala
eingerichtet ist.
Der Offizier
gibt zumindest seinen Vornamen preis, seine Leute nennen ihre Namen aus
Sicherheitsgründen lieber nicht. "Mali könnte sich zu einem Malistan
entwickeln", sagt Frédéric und spielt damit auf die anhaltenden
Terroranschläge der Taliban in Afghanistan an. "Es sind wahrscheinlich
weniger als 3000 Islamisten in Mali, aber wenn sie einen Guerillakrieg
mit Autobomben und Selbstmordattentaten führen, könnten sie immensen
Schaden anrichten."
Bisher sei es
noch ein symmetrischer Konflikt zwischen zwei Armeen. Aber das könne
sich ändern, wenn die Rebellen militärisch auf die Verliererstraße
gerieten. Einen großen Vorteil macht der Franzose aus: "In Mali haben
die Terroristen keinen Rückhalt in der Bevölkerung." Den Franzosen aber
werde vom Straßenrand überall zugejubelt, "es lebe Frankreich" gerufen
und mit hoch erhobenen Fäusten "viel Kraft" im Kampf gewünscht.
"Glücklich und dankbar, dass uns geholfen wird"
Die Fahrt im
Schützenpanzer zu Stellungen der französischen Armee rund um Markala
führt einige Kilometer aus der Stadt hinaus. Das gepanzerte Fahrzeug
biegt von der Hauptstraße auf eine holprige Piste und erreicht bald ein
Dorf. Zwischen den primitiven Gebäuden laufen Hühner und Ziegen. Zwei
Esel sind angebunden.
Neben einem
Wohnhaus, dessen Außenwände landestypisch mit einer Lehmschicht
abgedichtet sind, steht ein Radpanzer. Unter einem Mangobaum ist eine
Maschinengewehrstellung eingerichtet. Eine zweite liegt in einem Graben.
Ein Soldat beobachtet mit seinem Fernglas unaufhörlich die Gegend.
"Mich stört das
überhaupt nicht, dass bei mir ein französischer Außenposten
untergebracht ist", sagt Amala Ag al-Mahi, der hier mit seiner Familie
und der seines Bruders lebt. "Im Gegenteil", meint der 45-Jährige. "Wir
sind glücklich und dankbar, dass uns geholfen wird." Zufrieden nimmt er
einen Schluck Tee, den seine Frau auf einem kleinen Kohleofen zubereitet
hat.
"Wir wollten alle sofort einrücken"
Die letzte
Stellung der Franzosen befindet sich fünf Kilometer hinter Markala. Ein
Bagger hebt gerade eine weitere Maschinengewehr-Stellung aus. Auch hier
verfügt der Posten über einen Rad- und zwei Schützenpanzer. Einige der
etwa 20 Soldaten verfrachten Lenkraketen vom Typ Milan, die auch von der
Bundeswehr verwendet werden, in Viererpacks in die gepanzerten
Fahrzeuge.
Ein Soldat
berichtet über seine Enttäuschung darüber, dass seine Einheit nach
ersten Luftangriffen gegen die Rebellen den Job nicht vollenden konnte.
"Wir wollten alle sofort in die besetzten Städte einrücken. Aber die
Entscheidungen werden von den Politikern getroffen. Viele Tote können
sie nicht gebrauchen."
Konna wurde
tagelang von französischen Kampfjets bombardiert. Den Bodeneinsatz
überließen die Franzosen offenbar den malischen Truppen. Sie haben die
Stadt am Ende befreit, das hatte natürlich auch symbolische Bedeutung.
Ein Sprecher der al-Qaida-nahen Ansar al-Din bestätigte den Abzug seiner
islamistischen Kämpfer.
Täglich neue Flüchtlinge aus Diabali
Der Angriff auf
die Kleinstadt Diabali, die die Rebellen am vergangenen Montag
eingenommen hatten, beschränkte sich ebenfalls auf Bombardierungen. Die
Stadt mit 15.000 Einwohnern liegt 100 Kilometer von Markala entfernt.
Der letzte größere Ort vor Diabali, eine knappe Fahrstunde entfernt, ist
Niono.
"Die
Terroristen haben die Stadt verlassen und sind Richtung Norden
unterwegs", erklärt Seydou Touré, der Präfekt der Region, in seinem Büro
im Verwaltungsgebäude von Niono. Die Rebellen sollen nach Lere
marschieren.
Der Ort liegt
an der mauretanischen Grenze und dient als Zwischenstation auf dem
Marsch nach Timbuktu und Gao – zwei ehemalige Hochburgen der Islamisten,
aus denen sie zum Teil geflüchtet und auf umliegende Gebiete
ausgewichen sein sollen.
In Niono kommen
täglich neue Flüchtlinge aus Diabali an. Es ist ein Ort mit 50.000
Einwohnern, durchzogen von zahlreichen Kanälen, in denen Frauen mit
ihren Kindern Wäsche waschen. Friedliche Bilder, Krieg passt hier nicht
her. Am Ortseingang überprüfen malische Soldaten all jene, die in die
Stadt wollen, durchsuchen ihre wenigen Habseligkeiten.
Bürger fürchten Infiltration durch Flüchtlinge
"Wir haben
Angst vor Infiltration", sagt Präfekt Touré. Die Nerven in seiner Stadt
liegen blank, mehrfach schon ist aus Angst vor anrückenden Islamisten
Panik ausgebrochen. "Nur mit Mühe konnten wir die Menschen beruhigen."
Die Flüchtlinge
sind nach eineinhalb Tagen Fußmarsch durstig, ausgelaugt und müde. "Als
die Islamisten nach Diabali kamen, haben sie die Kirche angezündet",
berichtet Mohammadou. Ein Mann sei dabei ums Leben gekommen, fügt der
37-Jährige an, der als Drucker arbeitet.
"Das
Krankenhaus haben sie beschossen, bevor sie sich Medikamente holten."
Ansonsten hätten sich die Islamisten jedoch sehr nett gegenüber der
Bevölkerung verhalten. "Sie haben Wasser und Erdnüsse verteilt." Die
Scharia, das göttlich-islamische Recht, sollte nach Absprache mit dem
Imam der Stadt zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden.
"Sie bezahlten
den Frauen 2000 Francs (umgerechnet drei Euro), wenn sie ein Kopftuch
aufsetzten." Alles sei friedlich geblieben. "Nur an einigen Tagen
bombardierten die französischen Flugzeuge."
Freundliche Islamisten aus mehreren Ländern
Mafu kommt aus
dem zwei Kilometer vor Diabali gelegenen Dorf Koroma. Bei ihm
quartierten sich die Islamisten ein. "Sieben von ihnen schliefen in
meinem Haus. Sie waren sehr freundlich."
Sie hätten ihm
gesagt, dass sie nur gekommen seien, um die Menschen vor den weißen,
französischen Kreuzfahrern und den malischen Soldaten zu beschützen. Man
wolle niemandem etwas tun und keinerlei Steuern erheben. "Sie waren
gelassen und zuversichtlich, kein Anzeichen von Nervosität. Sie riefen
immer wieder Allahu Akbar, Gott ist groß." Gefechte habe auch er nicht
gesehen.
Wenig später
trifft der 23-jährige Marif mit einer Gruppe von Männern am Ortseingang
von Niono ein. Er erzählt, dass die Rebellen ihre Pick-ups unter Bäumen
und Planen versteckten. "Wenn Flugzeuge kamen, gingen sie in die
Wohnhäuser. Sie tranken mit den Bewohnern Tee, wohnten bei ihnen und
beteten mit ihnen in der Moschee."
Die meisten
Waffen, die sie bei sich trugen, habe Marif noch nie gesehen: "Unsere
Armee hat so etwas nicht." Unter den Islamisten seien Araber, Schwarze
und Mischlinge gewesen. Sie sprachen Französisch, Arabisch und Bambara,
die lokale Sprache. "Einige konnte man überhaupt nicht verstehen", wirft
Moussa ein, der mit Marif und den anderen gekommen ist. "Das waren
Sprachen, die ich noch nie gehört habe."
Hochgekrempelte Hosenbeine als Erkennungszeichen
Moussa erzählt,
die Rebellen seien ständig in Bewegung gewesen. "Sie fuhren die Stadt
ab und kontrollierten umliegende Dörfer." Einer der Islamisten habe ihn
aufgefordert, die Hosenbeine hochzukrempeln. Moussa bückt sich lachend
hinunter, um es vorzuführen. "Das ist das Erkennungszeichen der
Salafisten", erklärt er breit schmunzelnd und zieht die Hosenbeine
wieder runter.
Die Aussagen
der drei Männer decken sich mit denen anderer Flüchtlinge aus Diabali.
Niemand berichtete von Kämpfen. Das malische Militär wie auch
französische Regierungsstellen hatten von einer Bodenoffensive und
Haus-zu-Haus-Kämpfen gesprochen. Die angebliche Freundlichkeit und
Nachsicht der religiösen Extremisten überrascht: In den neun Monaten, in
denen sie den Norden Malis kontrollierten, zeigten sie sich wenig
tolerant. Sie schlugen Bürger, die geraucht, Musik gehört oder Alkohol
getrunken hatten. Dieben schnitten sie die Hand ab. Ein unverheiratetes
Pärchen steinigten sie.
Islamisten zerstören Kommunikationsnetzwerk
Die letzte
Station auf der Fahrt mit dem Schützenpanzer der französischen Armee
führt zu einem Stützpunkt des malischen Militärs – und in eine andere
Welt. Hier dösen die 120 Soldaten im Schatten der Bäume, niemand
beobachtet die Umgebung mit dem Fernglas, keine Kontrollen, keine
Alarmbereitschaft.
"Wir verlassen
uns auf unsere Aufklärungsarbeit", versichert Koanti Mahi, der Chef der
Truppe. "Wir erhalten sehr gute Informationen von der Bevölkerung." In
Diabali sei das Kommunikationsnetzwerk von den Islamisten zerstört
worden. "Wenn man jedoch auf Bäume klettert", versichert der malische
Hauptmann, kann man ein Signal bekommen."
"Wir sind mit
der Zusammenarbeit mit den Maliern sehr zufrieden", meint Hauptmann
Pascal. "Sie haben Mut, glauben wieder an sich und sind sehr engagiert."
Die Moral des malischen Militärs hatte schwer gelitten, als es von den
Tuareg innerhalb von nur drei Monaten vernichtend geschlagen wurde.
Das nomadische
Wüstenvolk hatte vor einem Jahr gegen die Zentralregierung in Bamako
rebelliert. Als die Tuareg kurz darauf den unabhängigen Staat Azawad
ausriefen, wurden sie von den einrückenden Islamisten vertrieben.
Terroristen sind schlagkräftiger als die Taliban
Die Rückfahrt
zur Basis der Franzosen in einer Kaserne der malischen Armee dauert
keine 20 Minuten. Am Rande des Exerzierplatzes stehen die Zelte der
französischen Soldaten. Zum Abschluss gibt Hauptmann Pascal seine
Einschätzung über die Kampfkraft der Islamisten.
"Sie sind eine
bestens organisierte Truppe von einer militärischen Qualität, mit der
Frankreich seit dem Indochina-Krieg nicht mehr konfrontiert wurde."
Wesentlich schlagkräftiger als die Taliban in Afghanistan.
"Die
Terroristen planen exakt, gehen taktisch vor und verfügen über
ausgezeichnete Waffen." Es könnte tatsächlich ein längerer Waffengang
werden.
Kommentare