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"Amerika wird sich der Faktenlage anpassen"

In einem Interview hat sich Syriens Präsident Baschar al-Assad kompromisslos gegeben. Das syrische Militär lässt Taten folgen und erobert eine strategisch wichtige Stadt von den Rebellen zurück. Von

Baschar al-Assad im Gespräch mit Journalisten derargentinischen Zeitung „Clarín“
Foto: AP Baschar al-Assad im Gespräch mit Journalisten derargentinischen Zeitung "Clarín"

Die Hälfte des Landes ist nicht mehr unter seiner Kontrolle, aber Baschar al-Assad ist zuversichtlich. In einem seltenen Interview mit internationalen Medien gab sich der syrische Präsident souverän und denkt auch nach über zwei Jahren Bürgerkrieg nicht an einen Rücktritt. "Ich stehe zu meiner Verantwortung wie ein Kapitän eines Schiffs im Sturm", sagte Assad im Gespräch mit der argentinischen Zeitung "Clarín".
"Was würde man über einen Kapitän denken, der in einer Notsituation Schiff und Mannschaft im Stich lässt?" Der Präsident will unter allen Umständen bis zu den Wahlen 2014 im Amt bleiben.
Assad machte nicht den Eindruck, als würde er mit dem Rücken zur Wand stehen. Im Gegenteil: Er zeigte sich als Staatsoberhaupt, dem noch alle Optionen offenstünden. Mit Skepsis beurteilte er die für Juni in Genf geplante internationale Friedenskonferenz. Man würde zwar alle Initiativen begrüßen, aber Realismus sei angebracht. "Es kann keine unilaterale Lösung in Syrien geben", meinte der Präsident, der 2000 das Amt nach dem Tod seines Vaters übernommen hatte. "Man braucht mindestens zwei Parteien dazu."
Bisher würde der Westen nur die Rebellen als Partner akzeptieren, aber nicht ihn und die syrische Regierung. Ohnehin sei klar, so Assad weiter, dass "nicht viele westliche Staaten wirklich an einer Lösung in Syrien interessiert sind". Wie sollte das auch gehen, wenn man Terroristen aus 29 verschiedenen Ländern unterstütze, die in Syrien als Teil der Rebellen kämpften.
Syrien

Assad fühlt Oberwasser

Man konnte es Assad deutlich ansehen: Er fühlt, wie schon lange nicht mehr, Oberwasser. Die Rebellen diskreditierten sich unlängst wieder mehrfach selbst in der Weltöffentlichkeit. Sie drehten ein Kannibalismusvideo mit dem Aufruf zu ethnischen Säuberungen. Die radikal-islamische Gruppe von Dschabat al-Nusra exekutierte im Stadtzentrum von Ar-Rakka als Racheakt drei vermeintliche Regimesoldaten. Sie firmierte dabei erstmals unter dem neuen, von Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri gegebenen Namen des "Islamischen Staats im Irak und Syrien".
Aber viel wichtiger für Assad und sein Regime: Die vor zwei Monaten angekündigte Offensive der syrischen Armee ist auf dem besten Wege, ein Erfolg zu werden. Sie könnte die seit einem Jahr bestehende militärische Pattsituation zwischen beiden Konfliktparteien zugunsten des Regimes verändern. Es wäre eine entscheidende Trumpfkarte bei zukünftigen Friedensverhandlungen, wie Assad selbst gegenüber einer Delegation von libanesischen Politikern in Damaskus versichert haben soll.
"Das Schlachtfeld entscheidet, wer eine starke Position bei Verhandlungen hat", soll der Präsident den Besuchern gesagt und angefügt haben: "Amerika ist pragmatisch. Wenn sie sehen, dass sie verloren haben und das Regime der Gewinner ist, werden sie sich dieser Faktenlage anpassen."

"50 Granaten pro Minute"

Wahrscheinlich hat Assad damit nicht ganz unrecht. Selbst in Israel, wie vor Tagen inoffiziell aus Regierungskreisen gemeldet wurde, würde man den noch amtierenden Präsidenten gerne weiter im Amt sehen. Ein säkularer Regierungschef, der die extremistischen Islamisten bekämpft, einen Taliban-ähnlichen neuen Staat und Angriffe der Radikalen auf Israel verhindert, scheint eine vermeintlich gute Option zu sein. Erst dachten viele, die von den syrischen Staatsmedien verkündete Offensive sei nur Propaganda. Die syrische Armee ist jedoch tatsächlich auf dem Vormarsch.
Sie hat die Einkesselung von Daraa gebrochen und den Nachschubweg in die Grenzstadt zu Jordanien wiederhergestellt. Von Daraa aus hätten die Rebellen einen entscheidenden Vorstoß auf die nur 120 Kilometer entfernte Hauptstadt von Damaskus unternehmen können. Von immenser strategischer Bedeutung ist die Stadt Kusair, die nur wenige Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt liegt. Sie ist seit über einem Jahr umkämpft.
In der vergangenen Woche wurden einige in der Umgebung von Kusair liegende Dörfer, die von den Rebellen kontrolliert wurden, von der syrischen Armee zurückerobert. In der Nacht zu Sonntag begann dann die große Offensive mit Artilleriebeschuss auf die normalerweise 80.000 Einwohner große Stadt. "50 Granaten pro Minute" sollen laut Medienaktivisten der Rebellen stundenlang niedergegangen sein. Am Montag meldete die syrische Nachrichtenagentur Sana, dass der Ort in der Hand des Regimes sei und "die Armee wieder Sicherheit und Stabilität" hergestellt habe. Rebellen behaupteten jedoch, rund 1000 Kämpfer würden weiterhin Widerstand leisten.

Hisbollah ist im Straßenkampf erfahren

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Kusair vom Regime vollständig eingenommen ist. Die Rebellen sind dann von ihrem Nachschubweg aus dem benachbarten Libanon abgeschlossen. Auch im 40 Kilometer entfernten Homs wird es eng für sie: Seit fast einem Jahr sind die Rebellen in der Stadt eingeschlossen. Ihnen wird sehr bald die Munition ausgehen, und sie werden sich zurückziehen müssen. Die gesamte Provinz Homs wäre unter der Kontrolle des Regimes, und die Zufahrtswege an die Mittelmeerküste nach Tartus und Lattakia wären gesichert.
Die Erfolge der syrischen Armee sind ohne Beteiligung der libanesischen Hisbollah nicht denkbar. Elitetruppen der schiitischen Miliz kämpfen seit Januar Seite an Seite mit der Armee in Kusair und Daraa. Die Hisbollah ist im Straßenkampf erfahren. Ein entscheidendes Element, das der syrischen Armee bisher fehlte und sie deshalb immer wieder scheitern ließ. Mehr als 20 Kämpfer soll die Hisbollah allein am vergangenen Wochenende verloren haben. Das zeigt, dass sie an vorderster Front kämpft.
Sehr wahrscheinlich sind auch schiitische Milizen aus dem Irak beteiligt. Mindestens 500 Mann sollen von der irakisch-schiitischen Asaib Ahl al-Hak und der Hisbollah in Syrien sein, die vom Iran militärisch ausgerüstet werden, berichtet der amerikanische Thinktank Institute for the Study of War. Die Koordination übernehmen Offiziere der Al-Kuds-Eliteeinheiten der iranischen Revolutionären Garden.

Kontrolle zentraler Regionen

Der Iran soll auch für die neue Militärstrategie Syriens verantwortlich sein, wie der neueste Bericht des Institute for the Study of War besagt. Etwa 50.000 Mann starke paramilitärische Einheiten kämpfen heute an der Seite der syrischen Armee, die der Iran im Laufe des vergangenen Jahres ausgebildet und bewaffnet haben soll.
Der überwiegende Teil dieser Truppen sind nicht Sunniten wie die Rebellen, sondern rekrutieren sich aus Schiiten oder Alawiten, zu denen auch Präsident Assad gehört. Sie sind verlässlicher und motivierter als die Armee mit einem hohen Anteil an Sunniten.
Die Strategie des Regimes scheint die Kontrolle entscheidender zentraler Regionen. Wie in Kusair oder Daraa wird mit höchstem militärischem Aufwand vorgegangen, während man andere Gebiete vorerst vernachlässigt.

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