Direkt zum Hauptbereich

Syrien, Hisbollah. Über die neue Dimension des Bürgerkriegs



Von Alfred Hackensberger
Der Sarg des Hisbollah-Kämpfers ist in die gelbe Flagge mit dem Kalaschnikow-Emblem gehüllt. Einige hundert Trauergäste marschieren bei der Prozession Anfang Mai. Vorneweg fährt ein Wagen mit grossen Lautsprechern, aus denen Koranverse dröhnen. Ein neues Bild.
Noch vor wenigen Wochen wurden Hisbollah-Kämpfer, die im syrischen Bürgerkrieg ihr Leben liessen, in aller Stille beerdigt. Die Geheimniskrämerei fand ein Ende, als Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah im hauseigenen TV-Sender Al-Manar erklärte, die Hisbollah kämpfe ab jetzt an der Seite von Syriens Präsident Bashar Assad.
Mit seiner Ankündigung eröffnete der Libanese Nasrallah eine neue Dimension im syrischen Bürgerkrieg, der nun schon zwei Jahre währt. Die Schiitische Hisbollah kämpft nun offiziell Seit an Seit mit dem schiitischen Assad, gegen die sunnitischen Rebellen, unter denen sich viele radikale Islamisten finden. Seitdem ist der Glaubenskrieg in Syrien voll entfacht, er ist zum Stellvertreterkrieg geworden, in dem schiitische dominierte Staaten wie Iran gegen sunnitische Länder kämpfen – und droht sich über die Landesgrenzen auszuweiten.

Es geht um nicht weniger als die Existenz der Hisbollah

Die Hisbollah, übersetzt Partei Gottes, rechtfertigt ihre Präsenz in Syrien damit, dass die Rebellen Dörfer besetzen wollten, in denen Libanesen wohnen. Und dass die Rebellen das Grab und die Moschee von Seyida Zeinab, der Enkelin des Propheten Mohammed in Damaskus, zerstören wollten.
«Wenn dieser Schrein zerstört wird, läuft alles ausser Kontrolle», sagte Nasrallah. Das Grab ist ein wichtiger schiitischer Wallfahrtsort, für den viele Gläubige bereit sind, sich zu opfern. Doch natürlich geht es beim Einsatz der Hisbollah in Syrien um weit mehr.
Die Partei Gottes, die 1985 als Ableger der iranischen Revolutionsgarden während des libanesischen Bürgerkriegs gegründet wurde, ist heute ein wichtiger Macht-Faktor in der Region – dank finanzieller und militärischer Unterstützung aus Iran und Syrien.
Vom Ausgang des Bürgerkriegs in Syrien hängen Zukunft und Existenz der Hisbollah ab. Gleichzeitig steht die Rolle Irans als Machtfaktor in der Region auf dem Spiel. Damaskus ist das Bindeglied zwischen Beirut und Teheran. Ohne eine syrische Regierung, die bereitwillig alle Waffenlieferungen aus dem Iran in den Libanon weiterleitet, wird Hisbollah ihr Abschreckungspotential gegenüber Israel verlieren. Das «Projekt des Widerstands» wäre beendet. Für den Iran und die Hisbollah käme das einer Katastrophe gleich. Wie bedrohlich Israel die Einmischung der Hisbollah in den Syrien-Krieg findet, zeigte sich vergangene Woche, als israelische Kampfjets Luftangriffe auf die syrische Hauptstadt Damaskus flogen. Der Angriff Israels  zeigt, wie sehr der syrische Bürgerkrieg regionale Konflikte widerspiegelt und wie leicht er auf benachbarte Länder übergreifen kann.
Ein Beispiel dafür ist auch die Explosion mehrer Autobomben in der türkischen Grenzstadt Reyhanli gestern. Mindestens 40 Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Der türkische Aussenminister Ahmet Davutoglu sagte: «Das war eine Provokation und kein Zufall.» Nicht auszudenken, wenn die Türkei in Syrien militärisch eingreifen und damit womöglich einen Konflikt mit den kurdischen Milizen auslösen würde.
Mit Hilfe der Hisbollah setzte die syrische Armee derweil ihre Offensive erfolgreich fort. In der Region um die Stadt Qusair konnte sie Nachschublinien der Rebellen abschneiden. Bald will sie mit der Rückeroberung der Stadt beginnen. Für den Kampf in Syrien hat die Hisbollah eigene, syrische Milizen aufgebaut und ausgebildet, die unter ihrem Kommando eingesetzt werden. Zum Teil stammen die Kämpfer aus dem Irak und Iran.
Erst kürztlich weilte Nasrallah in Teheran. Man kann man davon ausgehen, dass es dabei Absprachen über Kontingente «freiwilliger Kämpfer» in Syrien gab. In einigen Medienberichten wird von bis zu 50000 Mann gesprochen.
Die Hisbollah-Kämpfer werden die Moral unter den Soldaten der syrischen Armee stärken. Die schiitischen Milizionäre bringen Disziplin, Erfahrung und eine ausgezeichnete Ausbildung mit. Sie sind bereit zu sterben – schliesslich befinden sie sich auf einer religiösen Mission.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Geschützt, verdrängt, geduldet

Jüdisches Leben in islamischen Ländern – eine gefährdete Tradition Der durch den Nahostkonflikt genährte Antizionismus in der arabischen Welt lässt beinahe vergessen, dass auch in muslimischen Ländern jüdische Gemeinschaften leben. Allerdings hat die Abwanderung aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von politischem Druck fast überall zu einem starken Rückgang der jüdischen Bevölkerung geführt. Im jüdischen Kasino von Tanger scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Gut gekleidete Damen und Herren sitzen an mit grünem Filz belegten Tischen und spielen Karten. Mehrere Kronleuchter geben dem grossen Saal eine exklusive Atmosphäre. Wem nicht nach Kartenspiel zumute ist, der sitzt an der Bar und lässt sich einen Apéritif oder auch nur ein Bier servieren. Eine Abendgesellschaft im Klub, wie sie vo...

Christoph Luxenberg - Interview/ English

The Virgins and the Grapes: the Christian Origins of the Koran A German scholar of ancient languages takes a new look at the sacred book of Islam. He maintains that it was created by Syro-Aramaic speaking Christians, in order to evangelize the Arabs. And he translates it in a new way by Sandro Magister That Aramaic was the lingua franca of a vast area of the ancient Middle East is a notion that is by now amply noted by a vast public, thanks to Mel Gibson’s film “The Passion of the Christ,” which everyone watches in that language. But that Syro-Aramaic was also the root of the Koran, and of the Koran of a primitive Christian system, is a more specialized notion, an almost clandestine one. And it’s more than a little dangerous. The author ...

Der schwarze Block von Kurdistan

US-Präsident Donald Trump hat die Kurden im Stich gelassen. Jetzt fürchten sie, dass ein Angriff aus der Türkei kurz bevorsteht. Sie trainieren in Camps für den Ernstfall – und hoffen auf die Hilfe linksradikaler Utopisten aus Europa. Von  Alfred Hackensberger S o sieht also die Hoffnung der Kurden in  Nordsyrien  aus. In einem Hof, der von einer Mauer umgeben ist, spielen ein Franzose und drei Dänen mit kleinen Hunden. „Eine der wenigen Abwechslungen“, sagt ein junger Mann, er kommt aus Paris. In Frankreich war er in anarchistischen Zirkeln aktiv. Auch die jungen Leute aus Dänemark sind Anarchisten. Ihre Mitstreiter aus der Türkei sind wiederum Marxisten. Ihre Namen geben sie nicht preis. Fotografieren lassen sie sich nur vermummt, sie befürchten rechtliche Konsequenzen in ihren Heimatländern. Die Internationale Brigade ist ein Sammelbecken von Linksidealisten, die alle auf ihre Weise von einem sozialistischen Paradies träumen. Und das liegt für sie im Norden Syri...